Denkmale in der Stadt Willich

Lfd.-Nr. 154

 

Standort:

Jakob - Krebs - Straße 153, D 47877  Willich - Anrath

GPS:

5117 00,6" N   06o 27' 01,2" O

Zuständigkeit:

Privat

Baujahr:

1949

Tag der Eintragung als Denkmal

20. Februar 2001

Quellenhinweis:

Beschreibung der Denkmalbehörde

 

 

 

 

Villa Krebs in Anrath

Foto: Stadt Willich

Denkmalbeschreibung:

Es handelt sich um eine stattliche Villa inmitten eines weitläufigen Grundstücks unmittelbar gegenüber der ehem. Jakob-Krebs-Tuchfabrik, das durch seine Bepflanzung kaum Einblick von der Straße aus gewährt. Errichtet wurde das Gebäude, gewissermaßen ein Redant zur "Sommervilla" von 1912 (Jakob-Krebs-Str. 126; eingetr. Baudenkmal), 1949 in traditionalistischer Formensprache und für die Zeit sehr großzügiger, luxuriöser Ausführung.

Die Villa wurde erbaut für den damaligen Eigentümer der gegenüberliegenden Jakob-Krebs-Tuchfabrik, Willi Krebs, Fabrikant und Bürgermeister von Anrath, vom Krefelder Architekten Gilliam.

Das Raumprogramm ist drei Flügel aus weiß geschwämmten Backstein in doppelter Winkelform aufgeteilt, so dass auf Vorder- und Rückseite jeweils ein Hof gefasst wird. Der zweigeschossige Hauptbaukörper besitzt ein hohes, z. T. mit verschieferten Dachgauben versehenes Walmdach, welches an der Schmalseite bis auf Erdgeschosshöhe abgeschleppt ist, während es an den vorderen und hinteren Breitseiten höher endet und so dort zwei vollwertige Obergeschosse freigibt. Die Eingangsseite wird geprägt durch den bei sieben Fensterachsen mittig erhöht über einigen Treppenstufen angeordneten, seitlich durchfensterten und mit einer Gittertür versehenen Eingangsvorbau, der im Obergeschoss als Austritt fundiert. Im zugehörigen Balkongitter finden sich die Initialen des Bauherren (WK) und die Jahreszahl 1949.

Ein eingeschossiger Personal- und Wirtschaftsflügel mit Satteldach fasst den mit Natursteinplatten belegten Eingangshof. In seiner Stirnseite (in den Bauantragszeichnungen noch zum Hof hin) befindet sich ein zweiflügeliges (Garagen-) Tor, ein separater Zugang ist auf der vom Hof aus rückwärtigen Seite angebracht. Auf der Rückseite öffnen im Erdgeschoss zwei große zweiflügelige Fenstertüren die Innenräume zum Garten (auch hier leicht abweichend vom Entwurf). Im Obergeschoss ist über die gesamte Breite der Rückfront ein Balkon angebracht, der in das Flachdach des eingeschoßigen Schlafzimmerflügels übergeht. Dadurch, dass das Esszimmer etwas vor die Flucht gezogen ist, entsteht eine zweiseitig geschützte Terrasse. Eine zweite, kleinere Terrasse ist auf der anderen Seite des Esszimmers angeordnet, die sich in einem Stichbogen zum Garten öffnet. Türen, Holzsprossenfenster und Fensterläden sind durchweg erhalten, die Fenster z. T. mit Gittern geschützt und geschmückt. Unter den Fenstern sind einige bleiverglaste Farbfenster, z. T. mit Wappen oder figürlichen Szenen.

Betrachtet man den inneren Grundriss, so fällt die angesichts der Gesamtfläche des Hauses vergleichsweise geringe Zahl von Zimmern auf; die einzelnen Räume sind folglich meist von äußerst großzügigem Zuschnitt. Luxuriöse Materialien, wie dunkles Edelholz, welches sich außer bei der wandfesten Ausstattung auch bei Türen, Heizkörperverkleidungen und den wohl eigens angefertigten Möbel findet (die sich beider Besichtigung noch zahlreich im Haus befanden), dominieren den Raumeindruck

Durch die originale Haustür mit Oberlicht und Laterne betritt man zunächst ein marmorvertäfeltes Vestibül und dann den quer zur Eingangsfront liegenden, mit Solnhofer Platten belegten Flur. Links vom Eingang, parallel zur Außenwand, ist die Treppe angeordnet. Der Anlauf der ersten Stufen dreht sich in den Flur; ihre Brüstung ist geschlossen und trägt zu den Stufen passende hölzerne Handläufe. Nach rechts führt ein rundbogiger Trakt zum Arbeitszimmer (mit niedrigen Täfelungen und bemerkenswerten eingebauten Schrankwänden) und zum Schlafzimmerflügel Wohn- und Esszimmer, als herrschaftliche Wohnräume zum Garten hin gelegen, sind beide ebenfalls mit Solnhofer Platten ausgelegt und durch eine Schiebetür verbunden. Im Wohnzimmer befindet sich ein Kamin, dessen Sims eingenischte halbfigurige Karyatidenpilaster tragen und dessen Feuerstelle mit Kacheln Delfter Art ausgekleidet ist. Das Obergeschoss ist gleich organisiert, mit (Schlaf-) Zimmern zum Garten und Flur an der vorderen Außenwand. Ein Buntfenster im Flur mit figürlichem Motiv (Martinszug) deutet eventuell auf ein Kinderzimmer hin. Ein interessantes Detail ist auch der Schacht für Schmutzwäsche, der vom Obergeschoss aus direkt in die Waschküche im Keller führt. Im Personal- und Wirtschaftsflügel, der einen eigenen Eingang und ein eigenes, schlichte Treppenhaus hat, befindet sich eine große Küche.

 In seiner ausgebauten Dachzone war in den Planzeichnungen eine Einliegerwohnung vorgesehen; ob diese jemals bestand oder ob hier, was wohl wahrscheinlicher ist, von Anfang an die Zimmer des Personals angeordnet waren, muss derzeit offen bleiben. Der Raum unter den Dachschrägen ist hier geschickt für Einbauschränke genutzt.

  Archtekturgeschichtliche Würdigung

Die Villa Krebs folgt mit ihrer Gestaltung der konservativ-traditionalistischen Richtung in der Architektur des 20. Jahrhunderts, die als Heimatschutzarchitektur bezeichnet wird. In deren Selbstverständnis handelte es sich um eine "bodenständige", "landschaftsgebundene" Bauweise, die traditionelle Formen und Materialien zeitgemäß anzuwenden versuchte. In verschiedenen Ausprägungen war diese Richtung zwischen der Jahrhundertwende und den fünfziger Jahren. Unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg erlebte die Heimatschutzarchitektur aus verschiedenen Gründen noch einmal einen kurzen Aufschwung, bevor sie in der Nachkriegs-Moderne des "Wirtschaftswunders" unterging.

Charakteristische Kennzeichen sind bei der Villa Krebs z. B. der breit gelagerte Baukörper mit prägendem Steildach, die harmonische (achsensymmetrische) Proportionierung einer ansonsten weitgehend ornamentlosen Fassade durch hochrechteckige Fenster und Fenstertüren, der zweckmäßig-einfache Grundriss mit hellen Räumen, die gezielte Anordnung von Dachgaubenreihen zur Dachflächengestaltung, die Verwendung traditioneller Handwerkstechniken an demonstrativen Details (gemauerte Stürtze; Fensterläden; Schmiedeeisen; Holz und Naturstein im Inneren) sowie Mauerwerksbauweisen, wie der geschwämmte Backstein und die Anlehnung an traditionelle Bautypen oder Baukörper, ohne diese jedoch zu kopieren. So ist hier in Anrath die Bezugnahme auf regionaltypische Herrenhäuser, aber auch große Bauernhäuser im Ansatz klar vorhanden, auch wenn bei näherer Betrachtung von Imitation keine Rede sein kann.

Vielmehr entspricht die Villa gleichem idealtypisch dem "landschaftsgebundenen Bauen" der 1930er Jahre, wie es seinerzeit in Baufibeln, Entwurfslehren, Musterbauten etc. kanonisiert worden war. Auffällig ist z. B. die äußerliche Verwandschaft mit der Jugendherberge in Kleve-Materborn (1938/39) von Architekt Peter Dierichsweiler. Im Villenbau drückte diese Bauweise auch nach 1945 konservative Solidität und Wohnstand aus. Dies ist im vorliegenden Fall ganz besonders zu betonen, handelt es sich doch um einen für die Entstehungszeit sowohl hinsichtlich Größe, als auch Ausstattung außerordentlich luxuriösen Bau. Während um diese Zeit an anderer Stelle noch Notstandsbeseitigung mit oftmals primitiven Mitteln erforderlich war, verkörpert hier eine Unternehmervilla gleichzeitig weiter fortbestehenden Reichtum. Nicht von ungefähr drückt sich dies hier in konservativen, vornehm-schlichten Architekturformen aus, richtete sich deren Gestaltungsphilosophie doch ausdrücklich sowohl gegen plakativ zur Schau gestellten Wohlstand (z. B. der Prunkvillen der Gründerzeit und Jahrhundertwende), als auch gegen die avantgardistische funktionalistische Moderne (vgl. die Wohnhäuser Kaiser in Viersen). Zudem konnte sie vom Bauherren auch als der ländlich-kleinstädtischen Region angemessen angesehen werden.

 Bauherr

Die moderne Wirtschaftsgeschichte von Anrath nach dem Niedergang der Hausweberei und dem verheerenden Wirbelsturm von 1891 ist eng mit dem Unternehmen Krebs verbunden. Jakob Krebs, der Vater des Bauherren, stammte aus Mönchengladbach und war zunächst Mitinhaber der Mönchengladbacher Tuchfabrik Tiggeler & Krebs und Betriebsleiter der Anrather Tuchfabrik Dererichs & Co. 1907 begann er aus den Überresten der zwischenzeitlich schon stilgelegten Firma Dederichs mit dem Ausbau seines eigenen Unternehmens, welches bald zusammen mit Lange (später Verseidag) der wichtigste Arbeitgeber in Anrath wurde. Sein ihm in der Firmenleitung nachfolgender Sohn Willi modernisierte in den fünfziger und sechziger Jahren die Firma, um ihre überregional bedeutende Marktstellung zu bewahren (u. a. Umstellung auf Chemiefaser). 1994 ging die Firma Krebs in Konkurs.

Willi Krebs war zudem von 1948 bis kurz vor seinem Tod in Anrath. "Unter seiner Amtsführung mußte das zerstörte Dorf aufgebaut und besonders Probleme der Hungers- und Flüchtlingsnot überwunden werden. Die Kanalisation wurde in Angriff genommen. Kindergärten und neue Schulen wurden erstellt und das Krankenhaus modernisiert. (...) Als Förderer Anrather Vereine ist sein Name in vielen Vereinschroniken zu finden. Als ungenannter Stifter war er in sozialen und kirchlichen Einrichtungen geschätzt. Seine soziale Einstellung zu Gemeinschaftsaufgaben, sein ausgleichendes politisches Verständnis und seine unternehmerischen Fähigkeiten, Eigenschaften, denen die Entwicklung des Dorfes Anrath nach dem 2. Weltkrieg viel verdankt, wurden im Jahr 1968 durch die Gemeindevertreter mit der Verleihung der Ehrenbürgerschaft gewürdigt" (Datum 1979, S. 33).

Denkmalwert

Als Wohnsitz eines wichtigen Unternehmers und langjährigen Bürgermeisters von Anrath, "mit dessen Namen 20 Jahre Anrather Geschichte nach dem 2. Weltkrieg eng verbunden" sind (Datum 1979, S. 33) und der hier laut Baugesuch auch einen Arbeitsraum für "bürgermeisteramtliche Besprechungen" unterhielt, ist die Villa Krebs bedeutend für Willich. Da sie bis in Ausstattungsdetails in selten anschaulicher Weise original erhalten ist, besteht in Verbindung mit ihrem oben dargelegten architekturgeschichtlichen Wert ein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung und Nutzung aus wissenschaftlichen, insbesondere architekturgeschichtlichen Gründen. Hinzu treten wegen der Person des Bauherren orts- und wirtschaftsgeschichtliche Gründe. Sie ist daher ein Baudenkmal gemäß § 2 Denkmalschutzgesetz NW.