Denkmale in der Stadt Viersen |
||
Lfd. - Nr. 522 |
||
Standort: Große Bruchstraße 29 - 31, D 41751 Viersen GPS: 51o 15' 16,2" N 06o 23' 46,3" O Zuständigkeit: Privat Baujahr: 1907/08 Tag der Eintragung als Denkmal 21. Januar 2016 Quellenhinweis: Beschreibung der Denkmalbehörde
|
|
Wohn- und Geschäftshaus Julius Mertens
Denkmalbeschreibung: Beschreibung Das Haus befindet sich in der Großen Bruchstraße, neben der Hauptstraße die zweite wichtige historische Geschäftsstraße im Viersener Ortskern und zugleich ein Mittelpunkt des südlichen Stadtzentrums, der „Südstadt“ mit dem Neumarkt (heute Gereonsplatz) in ihrer Mitte. Es ist beidseitig eingebaut in die charakteristische, weitgehend geschlossene Straßenrandbebauung, die überwiegend aus vor 1945 entstandenen Wohn- und Geschäftshäusern besteht, durchsetzt von einigen Nachkriegsbauten. Die Straßenfassade wird geprägt vor allem durch die Gestaltung aus hell glasierten Ziegeln und farbig abgesetzten, jugendstilhaften Gliederungs- und Schmuckelementen sowie die jeweils originale Schaufensteranlage links und rechts des eingenischten, dreiteiligen Eingangs. Hinzu kommt die deutliche Betonung der Mittelachse durch Eingang (Erdgeschoss), dreiseitig gebrochenen Erker (1. Obergeschoss), Austritt (2. Obergeschoss) und einen zweifach geschwungenen Zwerchhausgiebel im Dachbereich. Auch sind die Obergeschossfenster hier rundbogig, während die übrigen Öffnungen konventionell rechteckig gehalten sind. Außerdem ist die Mittelachse rau verputzt, während die seitlichen Achsen ziegelsichtig sind. Auffällig ist die fast vollständige Auflösung des Erdgeschosses in zwei Schaufenster für die beiden Ladengeschäfte. Die im unteren Bereich einscheibigen Fenster besitzen Oberlichter mit zeittypischer geschwungener Sprossierung. Zur Mitte hin schwingen die beiden Fenster ein, in den über zwei Stufen eingenischten Eingangsbereich mit Terrazzoboden, von dem aus drei original erhaltene Türen – je eine seitlich in die Läden und die dritte frontal in den rückwärtigen Wohnhausbereich – das Haus erschließen. Die Obergeschosse sind über einem Gesims deutlich vom durchfensterten Erdgeschoss abgesetzt und als Lochfassade mit hochrechteckigen Öffnungen in den ziegelverkleideten Wandflächen gestaltet. Bemerkenswert hier die erwähnten, flächigen ornamentalen Gliederungen durch farbig abgesetzte Ziegel sowie Putzbänderungen, die abstrakte Muster oder Brüstungsfelder bzw. Fensterrahmungen ausbilden. Im 2. Obergeschoss, im verputzten, seitlich ausschwingenden Übergang der Mittelachse in das Zwerchhaus, ist unter einer Girlande das stilisierte Monogramm „JM“ des Bauherren Julius Mertens angebracht, in der Giebelspitze darüber das Jahr der Fertigstellung „1908“. Zur Fassadengliederung tragen ferner die Teilungen der Fenster bei, in zeittypischer Weise als T-Form bzw. beim dreiteiligen Fenster des Austritts im 2. Obergeschoss mit gestuftem, mittig überhöhtem Türbereich. Der Terrazzoboden des Eingangs setzt sich in den beiden Läden sowie im Eingangsflur des Wohnbereiches fort. Im Inneren ist der bauzeitliche Grundriss im Wesentlichen erhalten. Die Erschließung erfolgt durch die drei Eingänge, von denen der mittlere in den eigentlichen Hausflur führt, welcher wiederum in das rückwärtig gelegene Treppenhaus mündet. Die den Flur im Erdgeschoss links und rechts begleitenden Zimmer sind außerdem von den jeweils zugehörigen Ladenräumen aus erreichbar. Die originale Treppe ist zweiläufig mit Wendepodest auf halber Höhe konzipiert. Im hinteren Bereich schließt sich einseitig ein zweigeschossiger Wirtschaftsflügel (in den Baueingabeplänen 1907 Küche und Schlafräume) an. Die zeittypische Raumausstattung mit Terrazzo- bzw. Dielenböden, verputzten, vereinzelt stuckierten Decken sowie Rahmenfüllungstüren aus Holz ist im Wesentlichen erhalten. Begründung des Denkmalwerts/ Bedeutung
für die Stadt Viersen Es handelt sich um ein außergewöhnlich gut erhaltenes Wohn- und Geschäftshaus der Zeit um 1910. Seine Größe und Struktur entsprechen dem historistischen Bautyp, in der Detailausbildung der Ladenzone und der Fassadengestaltung finden sich hier aber prägnante Jugendstil-Anklänge. Besonders bemerkenswert ist die originale Schaufenster- und Eingangsanlage mit dahinterliegenden Ladenlokalen beiderseits einer mittleren zentralen Erschließung, aber auch im Inneren ist das Haus mit wesentlichen Ausstattungselementen wie Böden, Türen, Decken und Treppe weitgehend erhalten. In der Viersener Innenstadt sind in den beiden historischen Hauptgeschäftsstraßen Hauptstraße und Große Bruchstraße noch zahlreiche ältere Wohn-/Geschäftshäuser erhalten, wobei die Große Bruchstraße nach Krieg und Wiederaufbau einen geschlosseneren Bestand besitzt als die Hauptstraße, deren Wiederaufbau in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts ja auf Verbreiterung und Neubau der östlichen Randbebauung fußte. Somit sind dort nur auf der westlichen Seite Wohn-/Geschäftshäuser der Vorkriegszeit erhalten; von den in den „Boomjahren“ um 1900 dort entstandenen Häusern dieses Typs wurde bislang noch keines als Denkmal bewertet. Von den bisher eingetragenen Baudenkmälern typologisch noch am ehesten vergleichbar, als Eckbau jedoch anders organisiert, ist das 1912 entstandene Haus Süchtelner Straße 2 mit ehemals einer Metzgerei im Ladenlokal des Erdgeschoss. Die Gestaltung des Hauses, insbesondere der Fassade, zeugt deutlich von einem durchaus überdurchschnittlichen Gestaltungsanspruch, was auch darin begründet sein mag, dass es nicht, wie bei solchen Häusern üblich, von einem Bauunternehmer, sondern von einem „Architekten“ geplant wurde. Sein Urheber Johann Timmermanns war, soweit auf Grundlage der vorhandenen baugeschichtlichen Ergebnisse der Denkmalpflege bis jetzt ermittelt, seinerzeit vor allem im Viersener Süden tätig. Bekannt und zum Teil in die Denkmalliste eingetragen sind mehrere etwa zeitgleiche Wohnhäuser an der Eichenstraße und an der Ringstraße; es ist aber davon auszugehen, dass er zahlreiche weitere Häuser in dem damals stark expandierenden Stadtviertel errichtet hat. Ob Timmermanns tatsächlich ein ausgebildeter Architekt war, muss allerdings mit Vorsicht betrachtet werden, da die Berufsbezeichnung damals nicht im heutigen strengen Sinne geschützt war. Nicht nur auf den Bauplänen des Hauses Große Bruchstraße 29/31, sondern auch im Viersener Adressbuch 1906/07 ist Timmermanns jedenfalls einer von drei als „Architekt“ im Branchenverzeichnis eingetragenen Bauschaffenden (neben Ludwig Hansen und Frazu Kreutzer). – Der Bauherr Julius Mertens wird schon vor Errichtung seines Neubaus an gleicher Stelle im Adressbuch 1906/07 als „Händler“ geführt. Er ist am 08.05.1914 verstorben. Laut Adressbuch 1927/28 führte wohl seine Frau Petronella die Kolonialwarenhandlung in der Großen Bruchstraße weiter. Zudem wird unter der Adresse ein Julius Koenen mit Kurz-, Weiß- und Wollwaren-Handel aufgeführt. Wegen des beschriebenen architekturgeschichtlichen- und ortsgeschichtlichen Zeugniswerts besteht an der Erhaltung und Nutzung des Wohn- und Geschäftshauses Große Bruchstraße 29/31 aus wissenschaftlichen Gründen ein öffentliches Interesse. Hinzu kommt seine städtebauliche Bedeutung als integraler Bestandteil der auf beiden Seiten weitgehend geschlossenen Straßenrandbebauung der Großen Bruchstraße, die ein charakteristisches städtebauliches Bild ergibt und von der Viersener Stadtentwicklung um 1900/1910 zeugt, auch wenn die Straße selbst einer der ältesten Viersener Wege ist und bereits im 16. Jahrhundert als „Broickstrate“ genannt wird, das heißt als Weg von der alten Hofschaft Rintgen in das Bruchgebiet der Niers. Während auf der Tranchot-Karte Anfang des 19. Jahrhunderts die etwa parallel verlaufende, heute nachrangige Rintgerstraße noch annähernd gleichrangig dargestellt erscheint, nimmt die (Große) Bruchstraße mit der modernen Stadtentwicklung seit ca. Mitte des 19. Jahrhunderts eine rasante Entwicklung. Wichtig dafür war zunächst ihre Verbindungsfunktion zu mehreren überörtlichen Chausseen (im Nordosten nach Bökel / Krefeld, im Süden nach Gladbach), die zunächst in napoleonischer und später in preußischer Zeit ausgebaut wurden – was sich noch in ihrem späteren Status als Bundes- bzw. Landesstraße widerspiegelt. Im Stadtbauplan von 1860 ist die Große Bruchstraße zudem die südliche Begrenzung des zentralen innerstädtischen Straßengitters, dem im Osten die neue Bahnstrecke samt Bahnhof vorgelagert war (heutige Freiheitsstraße). Die Zuwegung zu diesem neuen Fokus der Stadtentwicklung hat die funktionale Bedeutung der Straße noch weiter aufgewertet, die dementsprechend um 1900 zur zweiten großen städtischen Geschäftsstraße nach der Hauptstraße wurde. Ältere Wohn- und Gewerbebauten wurden, wie an Bauakten zum Teil noch gut nachvollziehbar ist, in dieser Zeit zu modernen Geschäftshäusern umgebaut oder ganz durch diese ersetzt bzw. noch bestehende Lücken in der Bebauung geschlossen – so dass sich auf den Karten des frühen 20. Jahrhunderts bereits eine weitgehend geschlossene straßenbegleitende Bebauung zeigt. Das Wohn- und Geschäftshaus Große Bruchstraße 29/31, für das der Bauherr zwei vorher dort stehende kleine Wohnhäuser abbrechen ließ, ist ein integraler Bestandteil dieser bis heute weitgehend erhaltenen historischen Bebauung und ein Dokument der beschriebenen Entwicklung. Schutzumfang Quelle und Literatur
|