Denkmale in der Stadt Viersen

Lfd. - Nr. 521

 

Standort:

Horionstraße 2 k, D 41751 Viersen -  Süchteln

GPS:

5117' 23,3" N   06o 20' 59,2" O

Zuständigkeit:

Privat

Baujahr:

1927

Tag der Eintragung als Denkmal

1. Dezember  2015

Quellenhinweis:

Beschreibung der Denkmalbehörde

 

 

 

 

Wohnhaus des Direktors der 'Provinzial-Krüppelanstalt'

 

Denkmalbeschreibung:

Geschichte
Das Wohnhaus Horionstraße 2k wurde ca. 1927 als Wohnhaus des Direktors der „Provinzial-Krüppelanstalt“ errichtet. Bauherr war der Rheinische Provinzialverband. Der Planverfasser war vermutlich die Hochbauabteilung des Rheinischen Provinzialverbandes unter der Leitung des Landesbaurat Hirschhorn, des verantwortlichen Leiters der Hochbauabteilung Landesoberbaurat Baltzer sowie dem örtlichen Bauleiter Landesoberinspektor Schlitz.

Am Rande der 1906 eingeweihten Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Johannisthal in Süchteln wurde 1921 zusätzlich eine „Provinzial-Krüppelanstalt“ eröffnet. Ihre Einrichtung ging auf ein preußisches Gesetz vom 6. Mai 1920 zurück, welches die öffentliche Krüppelvorsorge, notwendig geworden insbesondere durch die vermehrten Mangelerscheinungen gerade bei Kindern nach dem Ersten Weltkrieg, den Provinzialverwaltungen übertrug. Nachdem man zunächst bestehende Einrichtungen umgenutzt hatte, beschloss der Provinziallandtag 1921, als erste preußische Provinz hierfür eine eigene Anstalt zu erbauen.

Die anhaltende Nachfrage nach Anstaltsplätzen machte jedoch weitere Vergrößerungen notwendig, die der Provinziallandtag 1925 genehmigte und als „Tat für die Volkswohlfahrt“ und „würdige Weihegabe“ mit der Jahrtausendfeier der Rheinprovinz 1925 verband. Zwei zusätzliche Krankenhäuser verdoppelten die Bettenzahl auf ca. 380-400. Infrastruktureinrichtungen wie Koch- und Waschküche, Ausbau der Turnhalle zu einem Festsaal, Verwaltungsflügelanbau, Erweiterung der Schwestern-Klausur und neue Wohnungen für Direktor, einen Arzt, Lehrer und Anstaltsbeamte markierten die Abkehr vom „Allernotwendigsten“.

Die Erweiterungsbauten wurden am 10. Juni 1927 feierlich eingeweiht, im Beisein u.a. des preußischen Wohlfahrtsministers Hirtsiefer und des Vorsitzenden des Provinzialausschusses, Konrad Adenauer.

Lage
Die Horionstraße ist die nördliche Verlängerung des Äquatorweges. Sie gehört zum Straßen- und Wegenetz im Bereich der Rheinischen Kliniken des LVR (Landschaftsverband Rheinland). Das Gelände fällt von Westen nach Osten leicht ab. Das Wohngebäude wurde zusammen mit anderen Häusern südlich der “Krüppelanstalt“ in einem kleinen Wäldchen so angeordnet, dass es durch den Baumbestand sowohl gegen diese, als auch gegen die benachbarten Häuser der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt einigermaßen abgeschlossen ist Die Entfernung zu den Krankengebäuden beträgt nur wenige Minuten.

Beschreibung
Das zweigeschossige Wohnhaus Horionstraße 2k mit ausgebautem Dachgeschoss ist ein freistehendes Gebäude im reduzierten Landhausstil und liegt etwas zurückgesetzt von der Straße. Das Dach ist eine Mischung aus Walm- und Zwerchdach. Jeweils ein Schornstein findet sich im linken und im rechten Walm des Hauses. Die Fassade ist mit einem Blockverband verklinkert. Bei diesem Mauerverband wechseln sich Binder- und Läuferschichten ab. Dabei sind die Läufer gegenüber den Bindern um einen halben Kopf versetzt eingebaut. Im Blockverband wird jede Stoßfuge in der darunter und darüber liegenden Schicht verdeckt. Ein schmaler, grauer Sockel verläuft um das komplette Gebäude. Direkt über dem Sockel verlaufen zwei geklinkerte Steinreihen und darüber eine Reihe hochkant gesetzter Läufer. Außerdem sind im Sockel mehrere vergitterte Kellerfenster eingefügt. Im Giebel der Frontfassade sind um 45° versetzte Klinkersteine in Dreiecksform ausgebildet. Desweiteren findet sich ein geklinkertes Rautenmuster zwischen dem Fenster im Obergeschoss und im Dachgeschoss. Somit verfügt das Haus über eine dezente, schöne Klinkerkunst.

Der Hauseingang befindet sich in einem kleinen, vorgelagerten, eingeschossigem Vorbau, der mittig an die Frontfassade angegliedert ist. Auf diesem Vorbau findet sich ein weiteres Walmdach. Die im Vorbau sitzende Haustür wird durch einen klinkersteinbreiten, schräg versetzten Rahmen eingefasst. Die Eingangstür aus Holz hat eine ungewöhnliche Breite und ist noch original erhalten. Zwei Glasflächen sind im oberen Drittel der Türe eingelassen, welche außerdem über weitere Verzierungen aus Holz verfügt. Der Hauseingang liegt ebenerdig. Mittig über der Eingangstüre befindet sich eine quadratische Leuchte aus opakem Milchglas. An beiden Seiten des Anbaus findet sich je ein kleines, schmales Fenster.

In der Frontfassade sind im Erdgeschoss vier kleine Fenster; drei davon rechts und eins links des Eingangsvorbaus angeordnet. Im Obergeschoss ist mittig ein dreiteiliges Fenster eingesetzt; direkt darüber im Dachgeschoss findet sich ein zweiflügliges Fenster.

Alle Fensterbänke sind aus orangefarbigen Keramikplatten gefertigt. Nach vorne geneigt und leicht über das Mauerwerk überstehend sind zwei Plattenreihen schuppenartig übereinander gelagert. Außerdem weisen alle Fensterstürze die gleiche Mauerung auf.

An der linken Gebäudeseite findet sich im hinteren Bereich ein Erker. Die dort vorhandene zweiflüglige Tür ist über fünf Steinstufen zu erreichen. An beiden Seiten des Erkers und beidseitig neben der Tür finden sich große Fensterflächen. Der obere Abschluss des Erkers besteht aus zwei Klinkerreihen, die treppenartig vorspringen. Am Erker befindet sich die gleiche Außenleuchte wie über der Haustür; sie ist ohne Abstand, direkt an der Hauswand befestigt. Über dem Erker ist ein Balkon ausgebildet. Ein filigranes Metallgeländer mit geraden Streben, welche teilweise durch geometrische Muster verbunden sind, ist noch im Original erhalten. Der Austritt auf den Balkon erfolgt über eine einflüglige Balkontür. Rechts neben dem Erker im Erdgeschoss befinden sich noch zwei doppelflüglige Fenster. Im Obergeschoss sind drei Fenster (ebenfalls doppelflüglig) und die besagte Balkontür eingesetzt. Die Fenster weisen alle die gleiche Dimension auf und besitzen, wie ebenfalls die beiden Türen Oberlichter. Außerdem befindet sich mittig im Walm eine Gaube mit zwei doppelflügligen Fenstern.

Auf der Rückseite des Hauses befindet sich ebenfalls ein Erker. Er nimmt die rechte Hälfte der Fassade ein und ist eingeschossig. Über ihm ist kein Balkon. Zur Gartenseite ist eine große Fensterfläche ausgebildet. Außerdem befindet sich auch hier wieder die gleiche Außenleuchte. Über dem Erker im Obergeschoss ist noch ein Fenster eingelassen (wieder doppelflüglig mit Oberlicht), sonst ist die Fassade fensterlos.

Die rechte Gebäudeseite hat ebenfalls einen Ausgang in den Garten, welcher über fünf Stufen zu erreichen ist. Wie bei den anderen Fassadenseiten ist auch hier die gleiche Außenleuchte neben der Tür angebracht. Über der doppelflügligen Tür befindet sich ein dreigeteiltes Oberlicht. Im Erdgeschoss gibt es neben dem Austritt noch ein doppelflügliges Fenster mit Oberlicht. Von diesen Fenstern finden sich im Obergeschoss noch zwei. Das dritte Fenster im Obergeschoss ist dreiteilig mit Oberlicht und nimmt somit die Dimension des Austrittes an, zu welchem es parallel liegt. Im Walm befindet sich eine Gaube mit einem doppelflügligem Fenster.

Zwischen der linken Gebäudeseite und der Rückfront ist ein externer Kellerabgang ausgebildet. In jeder Fassadenseite befinden sich Kellerfenster, welche vergittert sind und zusätzlich noch zwei horizontale Metallstreben aufweisen. Weder hinter dem Haus noch an den Gebäudeseiten ist eine Terrassenfläche zu finden. Der Ausgang erfolgt immer direkt ins Grüne. Der großflächige Garten grenzt im hinteren Bereich an Waldfläche und ist Bestandteil der Park- und Grünanlagen der Rheinischen Kliniken Süchteln und steht somit schon unter Denkmalschutz.

Die Raumaufteilung des Inneren ist im Wesentlichen original erhalten. Das Haus wird über den angesetzten Vorbau in der straßenseitigen Fassade erschlossen. Zur Diele führen drei Werksteinstufen hinauf. Sowohl der Eingangsbereich, als auch die Diele sind mit sechseckigen, roten Keramikfliesen ausgelegt. Rechter Hand, vom Eingangsbereich abgehend, gibt es eine Art Vorratsraum und linker Hand befindet sich unter der Treppe der Abgang in den Keller. Die Diele wird von der ursprünglichen Treppe aus Holz dominiert. Sie ist gerade und dreiläufig mit einem gleichsinnigen Richtungswechsel. Der erste Treppenpfosten ist durch seine gestalterische Ausbildung hervorgehoben. Die übrigen Geländerstäbe sind viereckig ausgebildet und weisen eine dezente Verzierung im oberen und unteren Drittel auf. Ganz schlicht in seiner Ausführung zeigt sich der Handlauf. Er ist lediglich andersfarbig gestrichen. Unter jedem Treppenabsatz findet sich eine Kassettierung. Die Treppe geht durchgängig bis ins Dachgeschoss.

Von der Diele gehen drei Türen ab. Hinter der rechten Türe befindet sich die Küche. Die zwei frontalen Türen führen in den großen Wohnbereich. Rechts ist das Esszimmer durch eine original erhaltene, doppelflüglige Schiebetür zu erreichen. Auch eine Durchreiche von der Küche zum Esszimmer ist vorhanden. Auf der linken Seite ist einer der Erker wintergartenartig ausgebildet. Hier und auf der gegenüberliegenden Seite im Esszimmer befinden sich die beiden schon genannten Ausgänge, welche in den Garten führen. Im Wohnbereich und im Essbereich ist durchgehend Parkett in Fischgrätmuster verlegt. Die Türlaibungen weisen eine leichte Profilierung auf.

Im Obergeschoss befinden sich vier Räume und im Dachgeschoss zwei Räume. Alle Rahmenfüllungstüren und Türlaibungen sind dort im Original erhalten. Sie weisen eine leichte Profilierung auf. Vom Dachgeschoss führt außerdem noch eine steile Holzstiege hinauf auf den Dachboden.

Bewertung
Die Gestaltung der Orthopädie-Erweiterungsbauten, unter welche die Direktorenvilla Horionstraße 2k fällt, charakterisierte der verantwortliche Leiter der Hochbauabteilung des Provinzialverbandes anlässlich der Einweihung 1927: „Der Ziegelrohbau, der für die Außengestaltung der neuen Gebäude mit Rücksicht auf die architektonische Ausbildung der alten Bauanlage und die übliche Bauart des Niederrheins gewählt werden musste, ist zwar in der allgemeinen Formgebung etwas neuzeitlicher gehalten, vermeidet aber all zu moderne Formen und lässt daher die Neubauten zu einem einheitlichen Gesamtbild mit den älteren Häusern zusammenklingen“ (Baltzer, Seite 57).

Das Direktoren-Wohnhaus ist schlichter als die (Wohn-)Gebäude der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Johannistal, welche 1906 eingeweiht wurde. Dies entspricht dem architektonischen Zeitgeist, der sich vom Historismus der Kaiserzeit abgewandt hatte und hier einem sachlichen, weitgehend ornamentlosen Traditionalismus folgte, mit einzelnen, aus dem Material Backstein entwickelten Schmuckformen, die an die hochentwickelte zeitgenössische Backsteinbaukunst erinnern. Gehobenen, durchaus noblen Charakter entfaltet das Haus vor allem im Inneren. Hier ist in erster Linie die großzügige Treppenhaushalle zu erwähnen, ein charakteristisches Merkmal des gehobenen Wohnhauses, das schon vor dem Ersten Weltkrieg vom traditionellen „englischen Haus“ in die Bürgerhausarchitektur hierzulande eingeführt wurde. Hinzu kommen die zahlreichen anderen erhaltenen Ausstattungsdetails, die ein sehr anschauliches Zeugnis des gehobenen, einem Anstaltsdirektor „standesgemäß“ angemessenen Wohnstils überliefern.

Das Direktoren-Wohnhaus Horionstraße 2k ist daher bedeutend für Viersen. An seiner Erhaltung und Nutzung besteht aus den dargelegten wissenschaftlichen, hier insbesondere architekturgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse. Es handelt sich folglich gemäß § 2 (1) Denkmalschutzgesetz um ein Baudenkmal.

Quellen und Literatur
-     Bauakte Stadt Viersen
-     Festschrift zur Feier der Eröffnung der Neubauten der Orthopädischen Provinzial-Kinderheilanstalt Süchteln,
-    50 Jahre Rheinische Orthopädische Landeskinderklinik. Hrsg.: Landschaftsverband Rheinland, Köln 1971
-     H. H. Breuer: Die historische Entwicklung der Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Johannistal