Denkmale in der Stadt Viersen

Lfd. - Nr. 516

 

Standort:

Friedhof an der Arnoldstraße, D 41751 Viersen - Dülken

GPS:

5115' 43,4" N   06o 19' 44,8" O

Zuständigkeit:

Privat

Baujahr:

um 1912

Tag der Eintragung als Denkmal

8. April 2015

Quellenhinweis:

Beschreibung der Denkmalbehörde

 

 

 

 

Grabstätte der Familie Tonnar

 

Denkmalbeschreibung:

Geschichte
Das Grabmal der Familie Tonnar befindet sich auf dem 1873 neu angelegten dritten Friedhof der Stadt (Kommunal-Friedhof). Die Anlage des neuen Friedhofs 1873 trug dem raschen Wachstum Rechnung, den die Stadt Dülken zwischen 1830 und 1900 aufgrund ihrer Bedeutung als Industriestandort erlebte. 1826/30 war der erste Friedhof an der Kirche aufgelassen worden. Den zweiten Friedhof gründete man wenige hundert Meter nördlich der alten Stadtmauer, weil aus hygienischen Gründen die Toten nicht mehr innerhalb der Stadt beigesetzt werden sollten. Die Errichtung des Bahnhofs nördlich der Stadt im Jahre 1866 führte dazu, dass dieser bald inmitten eines sich rasch entwickelnden Stadtteiles lag, so dass man sich zur Anlage eines neuen Friedhofs jenseits der Bahnlinie entschloss. Den neuen Standort wählte man in einiger Entfernung zum bestehenden Stadtkörper, da man optimistische Erwartungen für die zukünftige Entwicklung der Stadt hatte, was u. a. der Bebauungsplan von 1894 belegt. Diese Erwartungen erfüllen sich allerdings nicht, weswegen der Friedhof auch heute noch nur lose städtebaulich eingebunden ist.

Beschreibung
Das Grabmal der Familie Tonnar wurde um 1912 von dem Kölner Bildhauer Wilhelm Fassbinder geschaffen.

In einem Rahmenbau aus schwarzem Granit befindet sich eine lebensgroße Christusfigur aus weißem Marmor. Sie steht frontal ausgerichtet auf einem Sockel aus weißem Marmor, der auf der linken Seite die Inschrift des Künstlers trägt. Christus, der in ein bodenlanges Gewand gehüllt ist, wird mit segnender Gestik dargestellt. Der linke Fuß tritt ein wenig über den Sockel hinaus. Über dem Haupt Christi befindet sich ein Strahlennimbus. Er ist als der Erlöser nach der Christusfigur „Christus Consolator“ von Bertel Thorvaldsen aus dem Jahre 1821 gestaltet; wenn auch in seiner Ausführung etwas schlichter. Jedoch weist er gerade in der Gestaltung des Gesichts mit seinem berühmten Vorbild große Ähnlichkeiten auf. Der Kopf ist leicht nach unten gewandt; die Gesichtszüge sind schmal. Er trägt einen Bart und langes, in der Mitte gescheiteltes Haar. Die Christusfigur ist keine komplett freistehende Statue.

Um die Figur herum ist eine Rahmenarchitektur gebaut, bestehend aus einer Fassade mit Spitzgiebel und einer nach innen mehrfach abgestuften Rundbogenöffnung, ähnlich der eines romanischen Archivolten-Portals. Dieser Torbogen kann als Himmelspforte verstanden werden, an der Jesus Christus den Verstorbenen empfängt. Beiderseits des Portals treten Granitpfeiler hervor, die jeweils von einem griechischen Kreuz mit vier gleich lange Armen aus dem gleichen Material bekrönt werden.

Christus-Darstellungen sind im Vergleich zu Kreuzen und Engeln seltener zu finden. Am häufigsten findet sich der stehende Christus. Die Gestaltung, der Ausdruck, der Faltenwurf und die Haltung der Hände variieren, je nachdem ob Christus als Erlöser, Mittler und Lehrer oder Leidender am Kreuz gezeigt wird.

Mitte Sockel:

RUHESTÄTTE DER FAMILIE
FELIX TONNAR

Stele linke Seite von oben nach unten:

FELIX TONNAR
GEB. 16. MAI 1829
GEST. 27. MAI 1912

PAULINE
TONNAR
GEB. FORDER
GEB. 8. FEBR. 1840
GEST. 2. OKT. 1928

Stele rechte Seite von oben nach unten:

ALPHONS
TONNAR
GEB. 19. APRIL 1863
GEST. 24. MAI 1926

Das Familiengrab, zu dem zehn Grabstellen gehören, wurde 1910 von Felix Tonnar erworben. Nur drei der Grabstellen sind belegt. Die Grabanlage wird von einer niedrigen Hecke eingefasst, in welcher mittig eine steinerne Stufe eingelassen ist.

Familie
Felix Joseph Tonnar war der Sohn von Arnold Lambert Tonnar und seiner Frau Maria Elisabeth geb. Hoen. Er wurde am 16. Mai 1829 in Eupen als zweitjüngstes Kind von sieben Geschwistern geboren. Er studierte in Lüttich Maschinenbau und kam 1859 als Ingenieur und Fachmann für Gaswerke nach Dülken. Dort baute er Dülkens erste Gasanstalt. 29 Jahre lang leitete Felix Tonnar das Dülkener Gaswerk bevor er die Maschinenbau-Anstalt und Eisengießerei Felix Tonnar gründete. Er ließ vor allem Webstühle fertigen, aber auch andere Textilmaschinen wie zum Beispiel Spulmaschinen und Zubehörteile für Maschinen. Zunächst waren die Geschäftsbeziehungen weitgehend auf Deutschland, besonders auf die nähere Umgebung Dülkens beschränkt.

Am 27. Mai 1862 feierte er mit 33 Jahren seine Hochzeit mit seiner fast 11 Jahre jüngeren, aus Dülken stammenden Frau Pauline Forder. Zwischen 1863 und 1882 bekamen die Eheleute Tonnar sieben Kinder; drei Söhne und vier Töchter. Die Familie Tonnar wohnte standesgemäß für eine großbürgerliche, wohlhabende Familie in einem repräsentativen Haus auf der Marktstraße. Das ehemalige Wohnhaus der Familie Tonnar ist heute noch, inzwischen restauriert, an der Marktstraße 22 zu finden und steht seit 1986 unter Denkmalschutz. Der Familiensitz lag in unmittelbarer Nähe der neuen Fabrik, die Tonnar ab 1873 bauen ließ. Nur durch den Garten getrennt, war dies für das 19. Jahrhunderts eine durchaus übliche Erscheinung.

Von 1893 bis 1910 war er Stadtverordneter und ab 1881 ein Mitglied des Kirchenvorstandes. Außerdem war er ein Mitglied in der Bau-, Bibliotheks-, Gas- und Wasserwerks-, Schul- und Kirchen- und der Verkehrskommission sowie im Kuratorium der gewerblichen Fortbildungsschule.

Felix Tonnar starb am 27. Mai 1912 im Alter von 83 Jahren am Tage seiner Goldhochzeit. Nach dem Tod seines Vaters wurde Alfons Tonnar Chef der Firma. Zu diesem Zeitpunkt war der am 19. April 1863 geborene Alfons schon 49 Jahre alt, Maschinenbauingenieur und seit einiger Zeit für die Firma tätig. Mittlerweile waren die Geschäftsbeziehungen der Firma Tonnar nicht mehr nur auf Deutschland und die nächste Umgebung beschränkt; es wurde auch nach Wien, Lodz, Moskau, Barcelona und Frankreich geliefert.

Während des ersten und zweiten Weltkrieges verlagerte sich die Produktion auf die Herstellung von Kriegsgeschossen, auch wenn weiterhin Webstühle gebaut und verkauft wurden. Alfons Tonnar verstarb zwischen den beiden Weltkriegen am 25. Mai 1926 im Alter von nur 63 Jahren. Zwei Jahre später starb auch seine Mutter Pauline.

Später übernahm Paul Born, der Schwiegersohn Alfons Tonnars als alleiniger Geschäftsführer die Leitung des Unternehmens, welcher 1970 seinen Sohn Alfons Born in die Firma holte. Alfons Born versuchte durch Veränderung der Firmenstruktur die Liquidität der Firma zu erhöhen und gravierende Mängel zu beheben. Dieser Schritt kam allerdings zu spät; die Firma musste 1977 Konkurs anmelden.

Künstler
Das Grabmal ist im Marmorsockel signiert:

Fassbinder, Köln

Der Bildhauer Wilhelm Fassbinder wurde am 20. April 1858 in Köln geboren. Seine Ausbildung bekam er bei seinem Stiefvater, dem Kölner Bildhauer Johann Nothen in dekorativer und figürlicher Bildhauerei; ansonsten war er Autodidakt. Innerhalb kürzester Zeit erlangten seine Arbeiten hohe Qualität und große Anerkennung. Sein Schaffensschwerpunkt lag im Denkmal- und Portraitfach. Durch seine Kaiser- und Kriegerdenkmäler in den preußischen Provinzen Rheinland und Westfalen wurde er überregional bekannt. Solche Denkmäler schuf er in Langerwehe (1897), Dortmund (1903), Euskirchen (1903), Malmedy (1904), Altenkirchen (1905), Bernkastel (1906), Heinsberg (1908), Arzfeld (1908), Dessau (1911), Daun (1911) und Gerolstein (o. Datum).

Ein wesentlicher Teil seines Werkes im Bereich der Sepulkralkunst ist auf dem Melaten-Friedhof in Köln zu finden. Dort schuf er 71 Grabmäler mit zum Teil überlebensgroßen Naturstein-Skulpturen und Bronzeapplikationen.

Stilistisch sind seine Arbeiten bis etwa 1900 dem Eklektizismus zuzuordnen, danach vorzugsweise der Reformkunst und dem Neoklassizismus.

Er war Mitglied des 1890 in Düsseldorf gegründeten „Verein zur Förderung der Bildhauerkunst im Rheinland und in Westfalen“, der sich gegen die Dominanz der Berliner Bildhauer in der Rheinprovinz zu wehren versuchte. Außerdem war er Mitbegründer der „Vereinigung Kölner Bildhauer“ in den späten 1890er Jahren, die die Beteiligung Kölner Bildhauer an der Restaurierung des Kölner Ratsturms und die Erneuerung von dessen Figurenprogramm organisierte. Weiterhin war er Mitglied der „Künstler-Vereinigung deutscher Bildhauer“, im Ausschuss für das „Kölner Haus“ in der Kölner Werksbundausstellung 1914 und Vorsitzender des „Meister-Wilhelm-Bundes“ in Köln.

Wilhelm Fassbinder, der mit der Tochter des Rektors der Domschule, Gertrud Hinsen verheiratet war, starb am 10. August 1915 im Alter von nur 57 Jahren unerwartet an einem Schlaganfall.

Denkmalwert
Die um 1912 errichtete Grabstätte ist mit ihren erlesenen Materialien und ihrer monumentalen Grabfigur typisch für den repräsentativen Anspruch des damaligen wohlhabenden Bürgertums. Die Ausgestaltung des Grabmals und der dazugehörigen Anlage spiegelte die gesellschaftliche Stellung der Bevölkerung wieder; eine typische Entwicklung der Sepulkralkultur des 19. Jahrhunderts. Während die weniger Bemittelten in einem Reihengrab, meist schmucklos und räumlich getrennt, bestattet wurden, erwarben sich die gehobenen bürgerlichen Kreise große Grabanlagen oder Gruften und zierten diese mit aufwendigen Denkmälern. Mit dem Standort ihres Wahlgrabes zeigten sie ihre herausgehobene Stellung in der Gesellschaft. So liegt das Familiengrab der Familie Tonnar im Süden des Dülkener Friedhofs direkt an einem der beiden Eingänge an der Arnoldstraße, neben anderen bedeutenden Dülkener Familien. Außerdem beauftragte die Familie mit Wilhelm Fassbinder einen zu der Zeit bedeutenden Kölner Steinmetz mit der Gestaltung und dem Bau des Grabmals.

Die durch die Technisierung und Industrialisierung auch in der Bearbeitung von Grabdenkmälern im Verlauf des 19. Jahrhunderts gegebenen Möglichkeiten zeigen sich zudem in den verwendeten Materialien. Durch Eisenbahnen und Dampfschiffe wurde der Transport von Hartgestein auch aus fernen Regionen und Ländern möglich und brachte eine große Auswahl.

Die Christusgestalt spiegelt die Frömmigkeit und Nähe der Familie zur katholischen Kirche wider. Er interpretiert den Glauben an die Erlösung und Auferstehung der Toten.

Aus wissenschaftlichen, hier künstlerischen und lokalhistorischen Gründen liegen Erhaltung und Nutzung der Grabanlage der Familie Felix Tonnar gemäß § 2 (1) Denkmalschutzgesetz im öffentlichen Interesse.

Quellen
Stadtarchiv Viersen

Literatur
Gunnar Schirrmacher: „Das Dülkener Unternehmen Felix Tonnar – Ein Beitrag zur niederrheinischen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 1829-1988“; Herausgeber: Verein für Heimatpflege e.V. Viersen und Stadtarchiv Viersen

Josef Abt, Joh. Ralf Beines, Celia Körber-Leupold: „Melaten – Kölner Gräber und Geschichte“; Greven Verlag Köln

Josef Abt: „Der Kölner Friedhof Melaten: Begegnung mit Vergangenem u. Vergessenem aus rhein. Geschichte u. Kunst“; Greven Verlag Köln, 1980

K. G. Saur: „Allgemeines Künstler-Lexikon – Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker“ Band 37; Saur, Leipzig 2003