Denkmale in der Stadt Viersen

Lfd. - Nr. 508

 

Standort:

Süchtelner Straße 2,  D 41751 Viersen

GPS:

5115' 38,2" N   06o 23' 15,0" O

Zuständigkeit:

Privat

Baujahr:

1912

Tag der Eintragung als Denkmal

26. November 2013

Quellenhinweis:

Beschreibung der Denkmalbehörde

 

 

 

 

Wohn- und Geschäftshaus in Viersen

 

Denkmalbeschreibung:

Beschreibung

Das Haus Süchtelner Straße 2 wurde 1912 nach Plänen der Plänen der Bauunternehmer H. und W. Eigelshoven als Wohn- und Geschäftshaushaus für Wilhelm Mintmanns errichtet, der im Erdgeschoss eine Metzgerei betrieb. Das stattliche, dreigeschossige Gebäude mit hohem Mansarddach befindet sich in markanter städtebaulicher Lage auf der Ecke Süchtelner Straße/ Hofstraße, am Rande der Viersener Innenstadt, unweit der Hauptkirche St. Remigius.

Auf der Ecke ist der Baukörper abgeflacht, sodass sich ein Rhythmus von 5 : 1 : 3 Achsen entsprechend einer Fassadenlänge von 21,90 x 3,20 x 10,80 m ergibt.

In bauzeittypischer Weise sind nur die straßenseitigen Fassaden verputzt, die übrigen Wandflächen aber backsteinsichtig belassen. Das Erdgeschoss ist mit einem Bänderputz versehen. Erstes und zweites Obergeschoss sind glatt verputzt, werden aber durch Vor- und Rücksprünge/ Erker, ornamentierte Brüstungsfelder der Fenster sowie alternierende Gruppierung der Fensteröffnungen - gedoppelte schmale zweiflüglige oder breite dreiteilige Öffnungen - lebendig gegliedert. Im Erdgeschoss ergeben sich zum Teil andere - breitere - Fensterformate bei den Schaufenstern des Ladenlokals. Prägend für das Straßenbild ist darüber hinaus ein zweigeschossiger gerundeter Erker auf der Ecke mit Austritt, der von einem übergiebelten Zwerchhaus mit ornamentiertem Giebelfeld bekrönt wird.

Das in typischer Anordnung auf der Ecke gelegene Ladenlokal wird durch einen Eingang unterhalb des Erkers betreten. Die darüber liegenden Wohngeschosse besitzen einen separaten Eingang in der äußerst rechten Achse an der Süchtelner Straße mit originaler Tür, der über einen Flur zum rückwärtigen Treppenhaus mit originaler hölzerner Treppe führt.

Der Baukörper ist relativ schmal, die Erschließung der Räume und Wohnung erfolgt daher einhüftig über einen jeweils rückwärtig auf der Hofseite gelegenen Flur. Grundriss und Raumorganisation des Inneren sind im Wesentlichen unverändert.

Anschauliches Zeugnis der Nutzung als Metzgerei im Erdgeschoss ist außer dem Ladenlokal und dem anschließenden Kühlraum vor allem die ehemalige Wurstküche am Ende des Flügels an der Hofstraße mit ihren originalen kleinformatigen Wandfliesen. Auch die übrige historische Ausstattung wie Bodenfliesen in Ladenlokal und Fluren/ Diele, Fenster, Zimmertüren (Rahmenfüllungstüren) mit Zargen, Stuckdecken und die originale, eng gewendete hölzerne Haustreppe ist in bemerkenswertem Umfang erhalten.

Begründung des Denkmalwerts/ Bedeutung für die Stadt Viersen

Das Wohn- und Geschäftshaus Süchtelner Straße 2 zeugt von der wirtschaftlichen Blüte der Stadt Viersen in der Zeit der Industrialisierung und des Stadtwachstums "um 1900" (vergleiche hierzu allgemein die ortsgeschichtliche Literatur im Literaturverzeichnis). Während viele historische Wohn- und Geschäftshäuser der Viersener Innenstadt, insbesondere an der Hauptstraße, dem Zweiten Weltkrieg bzw. der Sanierung und dem Nutzungsdruck der anschließenden Jahrzehnte zum Opfer gefallen sind, hat sich hier, am Rande des Zentrums, ein stattliches und hinsichtlich seines originalen Baubestandes besonders anschauliches Exemplar dieser Gattung erhalten.

Der historische Wandel, den dieses Haus markiert, wird bei einem Blick in die Bauakten deutlich: Zuvor stand an dieser Stelle schon ein Gebäude, nämlich ein kleines zweigeschossiges, nur drei Fensterachsen breites Wohnhaus - 1873 im Besitz von Curl (?) Meyer, 1889 von Salomon Strauss, dem seinerzeit auch die benachbarten Grundstücke gehörten, darunter jenes des heutigen Gebäudes Süchtelner Straße. 8. Im Jahr 1908/09 war laut Verzeichnis der jüdischen Einwohner im Viersener Stadtarchiv Karl Strauss, Pferdehändler in der Süchtelner Straße 8 wohnhaft, außerdem Josef Liefmann, Viehhändler in der gegenüberliegenden Hausnummer 5.

Mit dem Neubau des Wohn- und Geschäftshaus Süchtelner Straße 2 im Jahr 1912 durch Wilhelm Mintmanns wurde nicht nur baulich ein Maßstabssprung von einer eher noch ländlichen hin zu einer städtischen Architektur vollzogen, sondern auch die moderne Ausdifferenzierung der Gewerbe umgesetzt, wobei die voraufgegangene Pferde-/ Viehhandlung im weiteren Sinne durchaus als ein verwandtes, vorindustrielles Gewerbe angesehen werden kann. In diesem Zusammenhang ist nämlich bemerkenswert, dass Viersen bereits relativ früh, seit Ende des 19. Jahrhunderts, einen eigenen städtischen Schlachthof besaß, der zentral Schlachtungen vornahm, und damit aktuelle großstädtische Entwicklungen übernommen hatte, wohingegen z.B. der anschließende Kreis Kempen um 1914 immer noch keine einzige dieser Einrichtungen besaß. Dies hatte Auswirkungen auch auf das Fleischgewerbe in der Stadt im Allgemeinen, denn die moderne Fleischerei verfügte folglich über keine eigene Schlachtung (respektive fand nicht mehr direkt beim Erzeuger auf dem Bauernhof statt), sondern konnte sich arbeitsteilig auf Verarbeitung und Verkauf des zentral hergestellten Produkts Fleisch nah am Endverbraucher konzentrieren.

Wissenschaftliche, hier architekturgeschichtliche Gründe für die Erhaltung und Nutzung

Das Haus Süchtelner Straße 2 ist ein typisches, qualitätvoll gestaltetes und anschaulich erhaltenes Zeugnis des Bautyps städtisches Wohn- und Geschäftshaus um 1910. Gestalterisch zeigt es deutlich die inzwischen weitgehend vollzogene Loslösung vom Historismus zugunsten einer sachlicheren, an barocken Formen orientierten Formensprache. Im Inneren sind nicht nur Raumaufteilung und zahlreiche Ausstattungsdetails der Bauzeit erhalten, die ein ungewöhnlich vollständiges Bild der Lebenswelt um 1910 ermöglichen, sondern insbesondere auch die Funktionsräume der Metzgerei im Erdgeschoss mit Ladengeschäft in typischer Anordnung auf der Ecke sowie im Flügel an der Hofstraße anschließend noch Kühlraum, Küche und Wurstküche, unter der sich im Untergeschoss noch ein "Salzkeller" zur Lagerung befand. Insofern ist das Haus auch von spezieller bautypologischer Bedeutung als frühes Beispiel der funktionalen Anlage einer modern organisierten Metzgerei. "Die Geschichte [der Fleischversorgung im 19. und frühen 20. Jahrhundert] war verbunden mit den Versorgungsansprüchen einer stetig und zuweilen sprunghaft wachsende Stadtbevölkerung, mit steigenden Anforderungen an die Hygiene sowie die Übertragung von mechanisierten und arbeitsteiligen Produktionsformen . auf Schlachtung, Tierverarbeitung und Lebensmittelherstellung" (Walter Buschmann). Neben Schlachtöfen sind hierzu frühe moderne Metzgereien wie diese als weiterverarbeitendes und an den Endverbraucher verkaufendes Gewerbe zu zählen.

Städtebauliche Gründe für die Erhaltung und Nutzung

Das Wohn- und Geschäftshaus befindet sich in Ecklage an einer markanten Stelle am nördlichen Rand der Viersener Innenstadt, wo in Sichtweite der Hauptkirche mehrere Straßen annähernd sternförmig aufeinandertreffen. Mit seinem Eckerker und darüber liegender Giebelausbildung (die ursprüngliche geplante bekrönende Dachlaterne wurde wohl nicht ausgeführt) wird das Straßenbild positiv akzentuiert und geprägt, die beiden anschließenden Flügel schaffen einen sauber gestalteten Übergang in die jeweiligen Straßen. Gerade im Gegensatz zu seinem kleinen, allein auf die Süchtelner Straße ausgerichteten Vorgänger wird auch deutlich, wie städtebauliche Gedanken die Anlage und Gestalt des Neubaus beeinflussten, obwohl sich dadurch eine asymmetrische, räumlich schwierig zu organisierende Grundfläche ergab.

Die städtebauliche Gestaltung der Süchtelner Straße war zur Bauzeit sicher auch von besonderer Bedeutung, da es sich erst seit relativ kurzer Zeit um die nördliche Hauptein- und -ausfallstraße des stark gewachsenen Viersen handelte. 1845 war sie "als Teilstrecke der Viersen-Aldekerker Bezirksstraße ausgebaut worden. Vorher verbanden die heutige Vogtei- und die Alte Süchtelner Landstraße Viersen mit Süchteln. Die Süchtelner Straße war vor ihrem Ausbau ein einfacher Fußweg. Er wird 1593 als "Süchtelsche Wegh" erwähnt." [Karl L. Mackes: Die Alt-Viersener Straßennamen (= Viersen, Beiträge zu einer Stadt 23), Viersen 2001, Seite 90]

Schutzumfang

Das Wohn- und Geschäftshaus Süchtelner Straße 2 in Viersen ist ein Baudenkmal - außen und innen, wie beschrieben - im Sinne des § 2 Denkmalschutzgesetz NRW. Es ist bedeutend für Viersen. An seiner Erhaltung und Nutzung besteht aus wissenschaftlichen, hier architekturgeschichtlichen sowie aus städtebaulichen Gründen ein öffentliches Interesse.