Denkmale in der Stadt Viersen

Lfd. - Nr. 496

 

Standort:

Burgstraße 1,  D 41751 Viersen

GPS:

5115' 19,9" N   06o 23' 45,9" O

Zuständigkeit:

Privat

Baujahr:

1904

Tag der Eintragung als Denkmal

23. Dezember 2010

Quellenhinweis:

Beschreibung der Denkmalbehörde

 

 

 

 

Wohnhaus in Viersen

 

Denkmalbeschreibung:

Baugeschichte

Das Wohnhaus Burgstraße 1 (zur Bauzeit: Rathausstraße) wurde 1904 im Auftrag des Unternehmers Peter Wahle errichtet; die Baugesuchspläne sind von dem Bauunternehmer Ludwig Hansen als „Bauleiter“ unterzeichnet, auf Begleitschreiben findet sich zudem der Name des Viersener Architekten Franz Kreutzer, der auch das Nachbarhaus Burgstraße 1a entworfen hat und möglicherweise auch hier als Entwurfsverfasser anzusehen ist.

Das Haus ist das dritte von vier etwa zeitgleichen Bauvorhaben Wahles in diesem zentralen Stadtbereich, nach Poststraße 4 und 6 und vor dem links angebauten Nachbarhaus Burgstraße 1a (alle eingetragene Baudenkmäler), so dass Wahle also für die gesamte Eckbebauung dieses Blocks verantwortlich zeichnete.

Das erste von Wahle im Januar 1904 eingereichte Baugesuch hatte noch eine andere Disposition des Hauses mit kleinem Vorgarten und einer noch stark historistisch geprägten Fassadengestaltung vorgesehen. Es ergaben sich aber zum einen Grundriss-Probleme in Bezug auf baurechtliche Vorgaben der Belüftung und Belichtung der Wohnung, zum anderen schwenkte man hier – wie auch beim etwas später ausgeführten Nachbarhaus Burgstraße 1a - auf eine modernere Fassadengestaltung um, die in der stärkeren Sachlichkeit und beim Ornament den „Jugendstil“ aufnahm. Möglichweise ist dahinter der Einfluss des Architekten Franz Kreutzer zu vermuten, der bei den ersten Häusern Wahles in der Poststraße nicht nachweisbar ist.

Beschreibung

Es handelt sich um ein in eine Blockrandbebauung eingebautes zweigeschossiges Eckgebäude mit 5 : 2 (Burgstraße : Poststraße) unterschiedlich breiten Achsen. Das Haus ist zu beiden Straßen hin traufständig, das dunkel gedeckte Dach folglich über beiden Fassaden abgewalmt. Die Ecke wird durch einen vorgezogenen polygonalen Turmerker betont, an der Burgstraße wird die Achse des rundbogig eingefassten Hauseingangs durch einen geschweiften Zwerchhausgiebel im Dachbereich betont. Die Fassaden sind über Sockel verputzt, im Obergeschoss glatt, im Erdgeschoss sind flache Quaderputzritzungen vorhanden; auch wenn die stärker reliefierte Darstellung des Bauantrags so nicht ausgeführt worden sein muss, ist doch anzunehmen, dass Verputz und Profilierung der Fassade im Lauf der Zeit etwas purifiziert worden sind. Die Öffnungen des Erdgeschosses sind rundbogig mit abgesetztem Gewände und Keilsteinbetonung, diejenigen des Obergeschosses hochrechteckig mit geradem Sturz in die Wandfläche eingeschnitten; die schlanken Öffnungen im Eckturm besitzen Vorhangbögen. Das Treppenhausfenster im Obergeschoss über dem Hauseingang wurde ebenfalls vereinfacht, der originale Bauplan zeigt hier eine recht aufwändige Gestaltung aus drei gekuppelten, jeweils in sich noch einmal geteilten (mit je zwei kleinen Rundbogenöffnungen in der unteren Hälfte) Rundbogenfenstern. Die andere erwähnenswerte Veränderung betrifft den Turm, den ursprünglich eine geschweifte Haube bekrönte, der dann lange Jahre ohne Dach war und 2010 ein Zeltdach erhielt, womit er nun wieder angemessen die Straßenecke betont.

Das rundbogige Gewände des flach eingenischten Haueingangs wird im Bogenbereich von einem profilierten, auf Konsölchen aufsitzenden Begleitbogen überfangen, der im Scheitel ein rechteckiges Feld überkröpft, das ein Schild mit der Inschrift „AD 1904“ trägt. Besonders bemerkenswert ist die originale zweiflüglige Haustür, auf deren Fenstergitter kleine Drachen aufsitzen; oberhalb der Tür füllt ein mit Bleistegen kleinteilig versprosstes Oberlicht das Bogenfeld.

Im Inneren ist die Raumaufteilung weitgehend unverändert, lediglich im Erdgeschoss ist eine Wohneinheit durch einen gestalterisch abgesetzten Einbau gegenüber dem Treppenhaus abgeschlossen worden. Über einige Stufen, auf deren Wangen ein Metallgeländer mit zeittypischen Pflanzen- und Blütenornamenten aufsitzt, betritt man eine kleine Eingangshalle, die an der Front zur Burgstraße die relativ steil und dynamisch geschwungene Treppe aufnimmt. Auch das Brüstungsgeländer der Treppe besitzt sehr zeittypische Formen, indem es nicht mehr gedrechselte Geländerstäbe, sondern rechtwinklig-geometrische Muster zeigt. Von der Treppenhaushalle aus erschließt ein Stichflur einhüftig den Flügel an der Burgstraße; charakteristisch ist ferner die Anordnung der großen (Wohn-)Zimmer, die durch Flügeltüren verbunden sind, nach hinten bzw. zur Schmalseite an der Poststraße. Sehr bemerkenswert ist der umfänglich erhaltene Deckenstuck, dessen vegetabile, fließende Formen bereits dem Jugendstil zuzuordnen sind, womit sie im Baujahr 1904 zweifelsohne „auf der Höhe der Zeit“ stehen.

Grundriss und Ausstattungselemente des Erdgeschosses werden im Obergeschoss wieder aufgenommen.  

Denkmalwert

Der Bauherr Peter Wahle (1868-1924) war Seilerwarenfabrikant und Kommanditist der Zentrifugenwerke Viersen Schäfer & Co. Dort brachte er bei der Gründung des Unternehmens im Jahr 1919 30.000,00 Mark ein. Nach seinem plötzlichen Tod 1924 im Alter von 56 Jahren wurde seine Witwe Inhaberin der Anteile. Ferner war Peter Wahle seit seiner Gründung im Jahr 1896 Vorsitzender des Allgemeinen deutschen Jagdschutzvereins - Bezirksverein Viersen-Dülken.

Die Anlage der ehemaligen Rathausstraße, heute Teil der Burgstraße, geht zurück auf den Stadtbauplan von 1860, der für die Viersener Innenstadtentwicklung maßgeblich ist. Während im Bereich östlich der Hauptstraße einige Straßenzüge wie z.B. Königsallee und Bahnhofstraße nach 1900 schon recht dicht bebaut waren, war die Bebauung an anderen Stellen noch sehr lückenhaft oder gar nicht begonnen. So wurde die Ecke Poststraße/Rathausstraße (Burgstraße) erst 1904 durch den Bauherren Peter Wahle mit vier Wohnhäusern (Poststraße 4 und 6, Burgstraße 1 und 1a) besetzt. Da im selben Jahr auch die Reichsbank (Poststraße 8) errichtet wurde, kann eine planmäßige, stadtplanerisch angeleitete Entwicklung dieses Blocks zur Poststraße hin vermutet werden.

Zusammen mit seinen Nachbargebäuden, darüber hinaus mit den älteren Wohnbauten Bahnhofstraße 31 und 33 und der weiteren, noch bemerkenswert dichten historischen Bebauung an Bahnhof- und Poststraße ist das Wohnhaus Burgstraße 1 Teil eines stadtentwicklungsgeschichtlich bedeutenden Ensembles, zur Bauzeit zentral zwischen Rathaus und Bahnhof gelegen. Es ist darüber hinaus ein prägnantes Zeugnis für den nach der Jahrhundertwende wechselnden architektonischen Zeitgeschmack, da hier ein historistisch-gründerzeitlicher Entwurf zugunsten der ausgeführten, am „Jugendstil“ orientierten Fassaden-Gestaltung aufgegeben wird. Im Inneren vermittelt die in wesentlichen Elementen ursprünglich erhaltene Raumaufteilung und Ausstattung ein anschauliches Bild der Wohnkultur vom Anfang des 20. Jahrhunderts.

Hinzu kommt die hohe städtebauliche Wirkung, die sich aus der Ensemblewirkung des gesamten Blocks samt gegenüberliegender Zeile an der Poststraße ergibt, darüber hinaus aus der prägenden Ecklage des Hauses selbst, welche noch zusätzlich durch den Eck-Erkerturm betont wird.

Die benannten Veränderungen an der Fassade, ohnehin nicht besonders gravierend, fallen gegenüber seiner wichtigen städtebaulichen Funktion und der guten Überlieferung im Inneren nicht entscheidend ins Gewicht.

Aus diesen Gründen ist das Wohnhaus Burgstraße 1 bedeutend für Viersen. An seiner Erhaltung und Nutzung besteht aus wissenschaftlichen, insbesondere architektur- und ortsgeschichtlichen Gründen sowie aus städtebaulichen Gründen ein öffentliches Interesse. Es ist daher gemäß § 2 Denkmalschutzgesetz ein Baudenkmal.