Kath. Pfarrkirche St.
Marien in Hamm

Denkmalbeschreibung:
Lage und Geschichte
Pfarrei und Kirche St. Marien befinden sich im östlichen
Stadterweiterungsgebiet von Viersen, im Bereich der alten Sektion Hamm,
von der dieser Stadtteil auch heute noch seinen Namen bezieht.
Industrieansiedlung und öffentliche sowie
private Wohnungsbautätigkeit ließen die Bevölkerungszahl in diesem
Gebiet seit dem 19. Jahrhundert stark ansteigen. Infolgedessen gab es
schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Bestrebungen, Hamm als
eigenständigen Seelsorgebezirk von der zuständigen Pfarre St. Josef
abzutrennen. Die Pläne kamen jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg zur
Ausführung.
Zudem gelobten die Kirchen Viersens im Oktober 1944 in der Josepfskirche,
dass im Falle der Verschonung bei einem zweiten Bombenangriff auf die
Stadt „...nach dem Kriege ... nach besten Kräften beizusteuern zum
Bau einer Kirche die den Unbefleckten Herzen Mariens geweiht werden
soll...!" Die Entscheidung, in welchem Stadtteil diese Kirche
gebaut werden sollte, fiel auf Hamm.
Zunächst wurde 1946 in der Turnhalle der Hammer Grundschule eine
Notkirche eingerichtet. Im Jahr darauf wurde die Suche nach einem
geeigneten Bauplatz durch eine Schenkung von Josef Kaiser entschieden.
Die Düsseldorfer Architekten Adam und Walter Dickmann (Düsseldorf)
legten 1949 einen städtebaulichen Entwurf für das Gelände vor, das
mit Kirche, Pfarrsaal, Schwesternwohnheim, Kindergarten und
Pfarrwohnungen gleichsam ein neuer Mittelpunkt des Stadtteiles werden
sollte.
Geplant war, zuerst einen Pfarrsaal zu errichten, der zugleich auch als
Notkirche dienen sollte, bis zur Fertigstellung der eigentlichen Kirche
in einem weiteren Bauabschnitt "je nach Maßgabe der verfügbaren
Mittel".
Im Winter 1950/1951 kam es jedoch zur Planänderung: Nun sollte nicht
mehr zunächst der Pfarrsaal, sondern direkt die neue Pfarrkirche ausgeführt
werden. Im März 1951 wurden daraufhin Pläne und Beschreibung zur
Genehmigung vorgelegt, "unter Bezugnahme auf das bereits
vorliegende Vorprojekt"; ein Kirchbauverein wurde im August gegründet.
Im November 1951 erfolgte der erste Spatenstich, im Dezember 1952 die
offizielle Grundsteinlegung. Trotz beachtlicher Spenden aus der Bevölkerung
war die Finanzierung des vorgesehenen Turms lange ungesichert und wurde
schließlich 1953 ganz von der Mutterpfarre St. Josef übernommen; in
diesem Zusammenhang erfolgte im Dezember 1953 auch noch einmal eine
Umplanung der Turmausführung. Am 7.11.1954 konnte die neue Kirche
benediziert werden, am 13.11.1955 fand die feierliche Weihe statt. Am
08.12.2955 wurde St. Marien seelsorgerisch selbständiges Rektorat, am
01.10.1961 Pfarrvikarie und schließlich am 07.12.1991 selbständige
Pfarrei.
Beschreibung
Die Marienkirche zeigt sich außen als sehr traditionell gehaltener,
zweischiffiger Backsteinbau über rechteckigem Grundriss mit einem über
dem niedrigen Seitenschiff auf der Nordseite asymmetrisch herabgezogenen
Satteldach. Die Westfassade mit dem Haupteingang ist dementsprechend als
Giebelfassade ausgebildet, an die - vor das Seitenschiff gestellt -
seitlich ein äußerlich fünfgeschossig gehaltener Turm mit
Pyramidendach eingefügt ist. Der Chor schließt ebenfalls gerade, ein
eingeschossiger Sakristeianbau ist in Verlängerung des Seitenschiffes
an den Ostgiebel angebaut - an den Fenstern im Sockel des Anbaus und des
Chors wird deutlich, dass dieser Bereich zusätzlich auch unterkellert
ist und weitere Nebenräume aufnimmt.
Die Handwerklichkeit der Backsteinmauerung wird durch Details wie die
Sturzmauerungen über den Öffnungen oder die "holländischen
Dreiecke" an den Giebelkanten betont. Für die Öffnungen waren in
der Baubeschreibung "Werksteingewände oder Einfassungen aus Beton,
der mit hellem Putz überzogen wird" vorgesehen; augenscheinlich
hat man sich auch hier für die traditionelle Werksteinlösung
entschieden.
Im Westgiebel ist über dem breit gelagerten Eingang mit Vordach über
vier Stützen ein großes rechteckiges, fünfbahniges Fenster
angebracht, der gegenüberliegende Ostgiebel (Chor) ist hingegen bis auf
ein kleines Rundfenster in der Giebelspitze vollständig geschlossen;
ein ursprünglich hier vorgesehenes Rosettenfenster kam nicht zur Ausführung.
Seitlich erhält das Kirchenschiff seine Belichtung durch hochgelegene
dreibahnige Fenster in der Südwand sowie kleinere, tiefer gelegene
Fenster im nördlichen Seitenschiff. Hiervon abgehoben ist der Chor, der
seitlich durch ein fast raumhohes rundbogiges Farbfenster in der Südwand
belichtet wird.
Der Turm ist stärker gegliedert als das Hauptschiff - seine vier
unteren Geschosse sind durch dünne, hell abgesetzte Bänder voneinander
getrennt. Ein recht altertümlich wirkender Rundbogenfries leitet zum
hohen Glockengeschoss mit allseitigen Schallöffnungen über. Sein
Pyramidendach ist unten durch Aufschieblinge abgeschleppt und kragt
deutlich über.
Die originalen, kleinteilig durchfensterten Eingangstüren aus Holz im
Westen sind erhalten (die Anbringung leicht verändert). Die
"Vorhalle" hinter dem Eingang, von einer Orgelempore überfangen,
ist durch nachträglich eingestellte Glaswände zum Kirchenschiff hin
abgesetzt worden. Von ihr aus erreicht man seitlich durch einen Aufgang
die Orgelempore, von der aus die Turmobergeschosse erschlossen sind, und
die Kapelle im Erdgeschoss des Turmes.
Das Kirchenschiff selbst ist innen klar und schlicht gehalten und wird
vor allem von den kubischen Großformen aus hell gestrichenen Wandflächen,
dem Blaustein farbigen Boden und der flachen Decke geprägt. An den
Wandvorlagen und der balkenartigen Deckengliederung wird zudem deutlich,
dass das Gebäude kein reiner Mauerwerksbau, sondern in Mischbauweise
mit konstruktiver Stahlbetonstruktur errichtet wurde. Am niedrigen
Seitenschiff vorbei, das zum Hauptschiff mit Rundpfeilern geöffnet ist,
wird der Blick auf den über Stufen leicht erhöhten Altarraum
gerichtet, der im Zuge der Liturgiereform nachträglich nach vorne zur
Gemeinde hin verlängert und mit einem neuen Altar versehen wurde. Der
originale Blockaltartisch aus poliertem Eifeler Blaustein (das auf ihm
befindliche Tabernakel mit Relief der Verkündigung ebenfalls
bauzeitlich) verblieb jedoch vor der geraden Chorwand, die ein Mosaik
mit Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit trägt (1954). Es stammt
ebenso wie das große seitliche Farbfenster mit Symbolen aus dem
Marienleben (1954) von dem Mönchengladbacher Künstler Josef Höttges.
Zeitgenössisch und dem Kirchenraum stilistisch gut eingepasst sind
ferner die hölzernen Bänke.
Architekten
Die Marienkirche wurde von den Architekten Adam und Walter Dickmann aus
Düsseldorf-Oberkassel entworfen.
Adam Dickmann (29.12.1876 Neuss - 09.05.1961 Düsseldorf) ist
insbesondere als Architekt zahlreicher Wohnbauten und Wohn- und Geschäftshäuser
in (Düsseldorf-) Oberkassel bekannt. Ursprünglich kam er aus Neuss, wo
ein Heinrich Dickmann bereits Ende des 19. Jh. als Architekt tätig war.
Auch von Adam Dickmann sind frühe Bauten in Neuss überliefert (z.B.
1905 Wohnhaus Further Str. 109). Ab 1906/07 scheint er sich aber auf das
in rascher Entwicklung begriffene Oberkassel konzentriert zu haben, wo
er in den folgenden Jahren zu den meist beschäftigten Architekten zählte.
Zahlreiche seiner in verschiedenen historisierenden Stilen gehaltenen
Bauten innerhalb des städtebaulichen Ensembles Oberkassel stehen heute
unter Denkmalschutz. Aus den 1920er Jahren kann die Wohnanlage Heerdter
Sandberg / Hansaallee in Düsseldorf, die er in Gemeinschaft mit einigen
anderen Architekten realisierte und die zeittypische Formen der
Backsteinmoderne aufnimmt, als bekanntestes Werk von Dickmann gelten.
Walter Dickmann (30.05.1911 Düsseldorf - ?) war der Sohn von Adam
Dickmann. Er studierte Architektur an den Technischen Hochschulen in München
und Hannover, wo er 1937 diplomiert wurde. Bis zum Beginn des Zweiten
Weltkriegs arbeitete er in den Büros von Ernst Vetterlein (Hannover)
und der Bauabteilung der Reichspostdirektion in Düsseldorf. 1939 wurde
er zur Wehrmacht eingezogen, 1941 jedoch schwer verwundet und deswegen
aus dem Kriegsdienst entlassen. Er trat daraufhin 1943 in das väterliche
Architekturbüro ein und promovierte 1944 mit einer Arbeit über
"Die bauliche Entwicklung der Stadt Neuss seit dem Ende der kurkölnischen
Zeit" an der TH Hannover (Prof. G. Graubner / E. Vetterlein) zum
Dr.-Ing.
Aus der Zeit des gemeinsamen Büros "A. & W. Dickmann"
nach 1945 sind außer St. Marien auch einige weitere Wiederaufbauten
bzw. Neubauten von Kirchen bekannt, so die katholische Kirche St. Martin
in Düsseldorf-Bilk (1951/52), der Turm von St. Barbara in Neuss
(1954-57) und die katholische Kirche St. Josef in Hürtgenwald-Vossenack
(1952/53).
Für die Beauftragung eines Architekturbüros aus Düsseldorf-Oberkassel
dürften nicht zuletzt verwandtschaftliche Beziehungen eine Rolle
gespielt haben: Paul Dickmann, der Pfarrer von St. Josef in Viersen und
damit Repräsentant des Bauherren von St. Marien, war ein Bruder von
Adam Dickmann. Hierfür spricht auch der Wiederaufbau der Kirche in
Vossenack durch A. & W. Dickmann: dort war Paul Dickmann bis 1942
Pfarrer gewesen, bevor er nach Viersen wechselte.
Auch die Planung des 1958 errichteten Kindergartens der Pfarre St. Josef
in Viersen stammt von A. und W. Dickmann.
Denkmalwert
Die Marienkirche in Hamm zählt zur traditionalistischen Richtung im
Kirchenbau der 1950er Jahre, die sowohl in der Form des Baukörpers als
auch bei der Materialwahl auf vertraute Konventionen und Anpassung an
die Umgebung Wert legte. Die architektur- und zeitgeschichtliche
Bedeutung dieses Traditionalismus gerade in der Wiederaufbauzeit ist in
den letzten Jahren in zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten
herausgearbeitet worden. Auch die gestalterische Qualität gerade in der
Bezugnahme auf örtliche Gegebenheiten wird inzwischen verbreitet wieder
als Wert erkannt.
Von der Grundanlage her ähnelt sie auffallend der etwa zeitgleichen
Franziskuskirche in Süchteln-Vorst. Kennzeichen beider sind der
traditionelle Baukörper, gestaltet als regelmäßig-rechteckiger Kubus
mit Satteldach, die Verwendung des Baumaterials Backstein und der
formale Bezug auf "romanische" Formen mittels Rundbögen,
Flachdecke u.ä. Noch mehr als Assoziationen an das (romanische)
Mittelalter stand dabei ein Verweis auf "Urformen" im
Mittelpunkt, die sich in großen einfachen Kuben und Flächen, klaren
Begrenzungen und unbedingte Konzentration auf Wesentliches äußerte.
Beide Kirchen sind zudem zweischiffig, besitzen neben der
Eingangsfassade in Verlängerung des Seitenschiffs einen Turm und haben
einen gerade geschlossenen Chor. Dabei wirkt die Marienkirche jedoch vor
allem im Inneren nicht so "archaisch" wie St. Franziskus, was
nicht zuletzt an der angedeuteten Stahlbetonkonstruktion liegt.
Die Gestaltung der Kirche erfolgte natürlich auch in Anpassung an die
finanziellen Mittel der Gemeinde und das städtebauliche Umfeld, das im
Wesentlichen aus einfachen Wohn- und Siedlungshäusern des 20.
Jahrhunderts bestand. So führten die Architekten zu ihrer städtebaulichen
Planung 1950 aus: "Je nach Gesamtgrößenanordnung sind die Bauten
dem siedlungsmäßigen Charakter des Ortsteiles angepasst, und gewähren
durch ihre weiträumige Bebauung in Verbindung mit gärtnerischen
Anlagen eine freie Erschließung des Grundstücks; sodass die
Gesamtanlage zu einem freundlichen, aufgeschlossenen Ortsmittelpunkt im
Stadtteil Hamm gestaltet werden kann" (Zitat aus der
Baubeschreibung der Architekten, 06.01.1950). Auch wenn die Planung
nicht voll zur Ausführung kam, erfüllt die Marienkirche doch bis heute
die ihr zugedachte Funktion als ein prägender baulicher Mittelpunkt der
östlichen Stadtteile Viersens.
Die Marienkirche ist außen und innen im Wesentlichen intakt erhalten
und somit ein anschauliches Zeugnis der traditionalistischen Richtung
des Kirchenbauschaffens der 1950er Jahre. Ihre wenig avantgardistische,
sondern eher "baumeisterliche" Haltung dürfte nicht nur den
finanziellen Mitteln der Gemeinde, sondern auch - ausweislich der
anderen bekannten, ebenfalls traditionalistischen Kirchenbauten des Büros
- der Intention der Architekten A. & W. Dickmann entsprochen haben.
Als Pfarrkirche der östlichen
Stadterweiterungsbereiche ist die Marienkirche in Viersen-Hamm bedeutend
für Viersen. Aus den dargelegten wissenschaftlichen, insbesondere
architekturgeschichtlichen Gründen besteht an ihrer Erhaltung und
Nutzung ein öffentliches Interesse. Es handelt sich daher gemäß § 2
(1) Denkmalschutzgesetz um ein Baudenkmal.