Denkmale in der Stadt Viersen |
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Lfd. - Nr. 458 |
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Standort: Bahnhofstraße 23 - 29, D 41747 Viersen GPS: 51o 15' 21,6" N 06o 23' 42,3" O Zuständigkeit: Stadt Viersen Baujahr: 18561863 Tag der Eintragung als Denkmal 30. August 2005 Quellenhinweis: Beschreibung der Denkmalbehörde
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Rathaus in Viersen
Denkmalbeschreibung: Geschichte Das
älteste Viersener Rathaus wurde 1538 am Alten Markt/Remigiusplatz
erbaut. 1854 erwarb die Stadt von Dr. Corty ein Haus Ecke Hauptstraße/Petersstraße.
Während der Herrichtung dieses Gebäudes gab es gleichzeitig 1855/56
Planungen für einen Neubau an der Hauptstraße (Entwurf
Friedrich-Wilhelm Heyden, Stadtbaumeister in Krefeld), die jedoch
scheiterten. 1856, im Jahr der Stadtrechtsverleihung, wurde das neue
Rathaus bezogen, am Markt verblieb das Friedensgericht. 1863 erhielt
das Rathaus einen rückwärtigen Erweiterungsbau für Gefängnis und
Friedensgericht (Entwurf: Frenken mit Stadtbaumeister Raschdorf, Köln). Ständige
Erweiterung der städtischen Verwaltung und deren notwendige Raumbedürfnisse
sind fortan ein immer wiederkehrendes Thema. Nach Löhr bestand die
gesamte Verwaltung einschließlich Polizei 1865 noch aus 13 Personen,
während es 1900 schon 20 waren. 1887
beschließt der Stadtrat, ein Lager- und Bürogebäude der Firma
Gebhard & Co. an der Casinostraße, der heutigen Bahnhofstraße,
als Rathaus anzukaufen; der Mönchengladbacher Architekt Wilhelm
Weigelt gestaltet den bis dahin unverputzten Backsteinbau repräsentativ
um (Bahnhofstraße 29). Die
wachsende Raumnot der städtischen Verwaltung (bereits 1909 klagt die
Stadtsparkasse über Raumnot) macht 1915 den Erwerb eines benachbarten
Wohnhauses als Bürgermeisterwohnung nötig (Bahnhofstraße 25). Des
weiteren werden das ehemalige Haus Preyer an der Hauptstraße
(Stadthaus II) und das Casinogebäude an der Bahnhofstraße (Stadthaus
III) für Verwaltungszwecke herangezogen. Um
dieser räumlichen Zersplitterung abzuhelfen, wird in den 1930er
Jahren ein Wettbewerb für einen Rathaus-Neubau vorbereitet (1934/35
an der Langmaack-Straße); Stadthaus I soll dafür abgebrochen,
Stadthaus II (Hauptstraße) zu einem Museum o.ä. umgenutzt werden.
Der Krieg setzt diesem Vorhaben ein vorläufiges Ende. Nach
dem Zweiten Weltkrieg wird das bestehende Rathaus an der Bahnhofstraße
(29 und 25) weitergenutzt und 1949-52 durch einen Neubau unmittelbar
im Anschluss bis zur Ecke Köngsallee (23) erweitert. Entsprechend
ihrer unterschiedlichen Bau- und Nutzungsgeschichte werden die drei
Gebäudeteile Bahnhofstraße 23, 25, und 29 getrennt voneinander
beschrieben. Bahnhofstraße 29 Baujahr:
1872 Bauherr:
Fa. Gebhard & Co., Vohwinkel ursprüngliche
Nutzung: Lagergebäude Umbau
zum Rathaus: Baujahr:
1887 Architekt:
Wilhelm Weigelt, Mönchengladbach ausführende
Unternehmer: Gebr. Quacken (Vorderseite, Verputz), Cuylen (Rückseite,
Ausfugung) Bauherr:
Stadt Viersen Nutzung:
Verwaltungsgebäude (Rathaus, ursprünglich mit Bürgermeisterwohnung) Das
stattliche dreigeschossige Gebäude erstreckt sich mit 11 Achsen
entlang der Bahnhofstraße. Der Baukörper wurde 1872 als Kontor- und
Lagergebäude errichtet. Nach dem Ankauf durch die Stadt 1887 erhielt
er für seine neue Nutzung als Rathaus an seinen straßenseitigen
Fassaden (Bahnhof- und Burgstraße) eine repräsentative
Putzdekoration. Den Entwurf hierzu lieferte der Mönchengladbacher
Architekt Wilhelm Weigelt. Zusätzlich wurde auf dem rückwärtigen
Hof ein „Spritzenhaus“ errichtet (Plan: C. Schnitzler, Ausführung:
Gebr. Gormanns). 1900/09 verzeichnen die Quellen folgendes
Raumprogramm: Erdgeschoss: Sparkasse, Polizeiamt; 1. Obergeschoss:
Stadtratssaal, Standesamt, Bürgermeisterzimmer; 2. Obergeschoss:
Steuerbüro, Registratur, Armenkasse, Stadtsekretär; die Bürgermeisterwohnung
war auf alle Geschosse verteilt. Die
Putzfassade ist im Erdgeschoss mit einer kräftigen Putzbänderung
versehen; die mit Keilsteinen akzentuierten geraden Stürze der
Fensteröffnungen werden von löwenkopfbesetzten Volutensteinen bekrönt.
Über einem breiten Geschoss-/Sohlbankgesims mit Wasserwogenfries
erheben sich die beiden verputzten Obergeschosse mit einer dichten
Gliederung aus zwischen die Fensterachsen gestellten, über beide
Geschosse durchlaufenden Wandpilastern mit hohen, vegetabil
ornamentierten Postamenten, kannelierten Schäften und korinthischen
Kapitellen. Der vierachsige rechte Hausteil, ehemals wohl die Bürgermeisterwohnung,
wird durch eine doppelte Pilasterstellung vom übrigen Teil abgesetzt,
in ihm sind darüber hinaus die beiden mittleren Fensterachsen ohne
zwischengestellten Pilaster dafür mit figuriertem Relief-Feld
zusammengefasst. Die Fenster besitzen eine breite, ädikulaartige
Rahmung, im ersten Obergeschoss werden sie abwechselnd von konsoltem
Gebälk oder Kartuschen bekrönt. Die Fenster des zweiten
Obergeschosses sind ebenfalls alternierend unterschiedlich
ausgestaltet: über geradem Gebälk im 1. Obergeschoss sitzen die
Fenster auf kleinen seitlichen Konsölchen auf und haben breite
Putzrahmen mit geraden Verdachungen, über den Kartuschen ist die
Rahmung einfach gehalten, dafür erfolgt die Bekrönung dort mit
Konsolstein und geschweiften Verdachungen. Ein profiliertes Putzgesims
schließt diese Putzgliederung, die farbig von der verbleibenden
Wandfläche abgesetzt ist, nach oben ab. Eine schmale Putzfläche
leitet dann zum klassizierenden Balkenkopf-Trauffries und dem flachen
Walmdach über. Die
ebenfalls stuckierte Seitenfassade zur Burgstraße ist strukturell
entsprechend, im Detail aber schlichter ausgeführt, mit lediglich
zwei, weit auseinander stehenden Fensterachsen und demgemäß größeren
Wandflächen. Die Fenster sind als Blenden geschlossen. Die Gebäuderückseite
ist schmucklos backsteinsichtig belassen. Hinterhausflügel sowie die
historischen Fuhrparkgaragen bilden eine Hofsituation aus, die zur
Burgstraße mit einer dem Hauptbau angeglichenen Gestaltung
geschlossen ist. Der
alte Hauseingang mit zweiflügeliger Haustür und rundbogigem
Oberlicht ist nicht mittelachsig angeordnet, sondern seitlich zur
ehemaligen Bürgermeisterwohnung gerückt. Über dem Eingang ist eine
Wappenkartusche mit dem Stadtwappen Alt-Viersens angebracht. Im
Inneren haben sich prägnante Reste der historischen Ausstattung
erhalten. Hervorzuheben sind das Vestibül mit Schmuckfliesen-Boden
und einem sichergestellten Rest alter Wanddekoration sowie die alte
Holztreppe, gerade zweiläufig mit Wendepodest und gedrechselten Geländerstäben.
Alte zweiflügelige Holzfenster mit geteiltem Oberlicht entsprechen
dem Entwurfsplan. Die
noch junge Stadt Viersen beauftragte für diese prominente Bauaufgabe
nicht einen lokalen Baumeister, sondern den bekannten Mönchengladbacher
Architekten Wilhelm Weigelt. Weigelt ist als Architekt zwischen 1876
und 1900 greifbar. Von ihm stammen in Mönchengladbach u.a. das Casino
der Gesellschaft „Erholung“ in der Abteistraße 11 und das 1880
neu errichtete Wohnhaus der Burg Zoppenbroich. In Rheydt ist er mit
siebzehn zum. Teil prominenten Bauten nachgewiesen, überwiegend im
Stil italienischer oder französischer Renaissance. Auch für die
Villa von M.A. Rossié in Süchteln, Düsseldorfer Straße 25 und für
das Gebäude Bahnhofstraße 36 (heute Gesellschaft Erholung) lieferte
er den Entwurf. Seit
über einhundert Jahren Rathaus der Stadt Viersen ist das Gebäude
Bahnhofstraße 29 bedeutend für Viersen. Seine an die italienische
Renaissance angelehnte qualitätvolle Schmuckfassade macht es zu einem
weitreichenden Blickpunkt innerhalb des Ensembles historischer Bauten
an der Bahnhofstraße, deren städtebauliche Anordnung auf den
Stadtbauplan von 1860 zurückgeht. Da bis in Innenraumdetails
substanziell anschaulich erhalten, ist es als wertvolles Zeugnis städtischer
Repräsentationsarchitektur des späten 19. Jahrhunderts anzusprechen.
An der Erhaltung und Nutzung des Gebäudes Bahnhofstraße 29 besteht
daher aus wissenschaftlichen, insbesondere architektur- und
ortsgeschichtlichen sowie aus städtebaulichen Gründen ein öffentliches
Interesse. Bahnhofstraße 25 Baujahr:
1877 Baumeister:
C. Schnitzler Bauherr:
Mathias Lüps; Besitzer ca. 1880 bis 1915: Wilhelm de Joncheere,
Leinenfabrikant ursprüngliche
Nutzung: Wohnhaus (ab 1915: Bürgermeisterwohnung) heutige
Nutzung: Verwaltungsgebäude (Rathaus) 1899
rückwärtiger Anbau (L. Hansen) 1915
Umbau zur Bürgermeisterwohnung (Stadtbauamt) 1937
Umbau der Bürgermeisterwohnung zu Büroräumen (Stadtbauamt) Nach
den Forschungen anlässlich der Ausstellung „Auf dem Wege zur
Stadt“ wurde dieses Gebäude 1877 für den Bauherren Mathias Lüps
errichtet. Die vorhandene Bauakte beginnt jedoch erst 1880, als
Wilhelm de Joncheere ein Trottoir vor „seinem“ Wohnhause
beantragt. Die Familien Lüps und de Joncheere waren eng miteinander
verwandt: Anna Susanna Lüps, die Ehefrau von Johannes Mathias Lüps
jr., war eine geborene de Joncheere aus Dordrecht und damit eine
Verwandte der Viersener de Joncheere, Teilhabern der Leinenweberei de
Joncheere & Küppers (Ulrich, S.127 u. ebd., Anm. 497). 1915 wird
de Joncheere in den Kaufverhandlungen mit der Stadt als „Rentier,
Cleve, Wasserburg“ bezeichnet. Bis
zur Übernahme durch die Stadt 1915 war das Gebäude im Besitz de
Joncheeres. Danach diente es zunächst als Bürgermeisterwohnung, 1937
erfolgte ein Umbau zu Büroräumen, der das bis dahin innen wohl noch
in sich abgeschlossene Gebäude auch baulich mit dem benachbarten
Rathaus verband. Es
handelt sich um ein dreigeschossiges Gebäude, das mit seiner Höhe
und insgesamt vier Fensterachsen die Kubatur des links anschließenden
älteren Rathausgebäudes fortsetzt. Eine weitere Achse tritt als
Eingangsachse deutlich hinter die Fluchtlinie zurück und vermittelt
heute nach rechts zu dem weiter fortführenden, ebenfalls zurücktretenden
Neubau der 1950er Jahre. Das
Erdgeschoss ist als grob gebänderte Putzfassade rustiziert, die
Fenster sind dort rundbogig ausgeführt; die Geschosse darüber sind
backsteinsichtig belassen (1. Obergeschoss) bzw. verputzt (2.
Obergeschoss), die Fenster mit geraden Stürzen versehen. Zwischen
Erd- und erstem Obergeschoss vermitteln zwei horizontale Linien aus
Geschoss- und Sohlbankgesims. Das erste Obergeschoss ist zudem durch
die variierte Fensterverdachung aus Dreiecksgiebelchen über den
beiden linken Achsen, geradem Gebälk rechts anschließend und dann
wieder Dreiecksgiebel in der Eingangsachse als Beletage ausgezeichnet.
Lediglich ein dünnes Sohlbankgesims leitet zum zweiten Obergeschoss
über, mit einfachen niedrigeren Rechteckfenstern und einem abschließenden
Klötzchentrauffries. Die
Gebäuderückseite ist zeitüblich schlicht gestaltet und wird fast gänzlich
vom ehemaligen Wirtschaftsflügel und dem risalitartig vorstehenden
Verandazimmer des Erdgeschosses geprägt. Den
mit Schmuckfliesen gestalteten Weg zum Hauseingang begleitet rechts
ein Mäuerchen, links eine in den Obergeschossen fensterlose
Seitenwand, die im rustizierten Erdgeschoss eine Nische mit
eingestellter Frauenstatue aufweist: „Nachbildung in gebranntem Ton,
hergestellt von der Firma E. March Söhne, Charlottenburg bei Berlin,
ca. 1,60 m. hoch, um 1880" ( aus dem Katalog Auf dem Wege zur
Stadt, Nr. 73). Die
originale zweiflügelige Haustür mit Halbrund-Oberlicht ist mit
antikisierender Pilaster-Postament-Gliederung aufwändig gestaltet. Trotz
der erfolgten Nutzungsänderung sind im Innern zahlreiche
Ausstattungselemente erhalten, die vom ehemaligen herrschaftlichen
Anspruch des Hauses zeugen. Hierzu zählen der Zimmergrundriss,
insbesondere der repräsentativen Räume „Salon“, „Zimmer“ und
„Verandazimmer“ sowie des Treppenhauses im Erdgeschoss, bis hin in
den ablesbar erhaltenen ehemaligen rückwärtigen Wirtschaftsflügel.
Im Erdgeschoss des Treppenhauses (Treppe gerade zweiläufig mit
Wendepodest) liegt ein Schmuckfliesenboden, zudem sind hier Decken-
und Wandstuckierung hervorzuheben, mit Raumteilern aus gebälktragenden
Wandpilastern und mehrfach profilierter Deckenkehle. In den Zimmern
des Erdgeschosses befinden sich weitere ausgestaltete Decken: im
vorderen ehemaligen „Salon“ unterteilen eierstabartige Friese die
Fläche mit Mittelrosette, begleitet von einem Konsölchenfries in den
Kehlen; im mittleren „Zimmer“ Mittelrosette mit stuckiertem
Kehlfries, im hinteren „Verandazimmer“ schließlich eine aufwändige
Kassettendecke aus Holz, deren Felder durch von Konsölchen begleitete
Stege voneinander getrennt werden. Zum
historischen Baubestand zählen ferner alte Holzfenster, zumeist zweiflügelig
mit Oberlicht. Als Teil des Rathauses, ehemals Bürgermeisterwohnung und ursprünglich Wohnhaus wichtiger Unternehmer ist das Gebäude Bahnhofstraße 25 bedeutend für Viersen. Als bis in Details der Innenausstattung gut erhaltenes Zeugnis gehobener Wohnkultur des späten 19. Jahrhunderts sowie wegen seiner stadthistorischen Bedeutung als Bürgermeisterwohnung/Rathaus besteht an seiner Erhaltung und Nutzung aus wissenschaftlichen, insbesondere architektur- und ortsgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse. Da es ein prägender Bestandteil des Ensembles etwa zeitgleicher historischer Gebäude an der Bahnhofstraße ist, treten städtebauliche Gründe hinzu. Bahnhofstraße 23 Baujahr:
1949-52 Architekt:
Stadtbauamt Bauherr:
Stadt Viersen ursprünglichge
Nutzung: Verwaltungsgebäude (Rathaus) heutige
Nutzung: Verwaltungsgebäude (Rathaus) Der
Raum zwischen Rathaus und Königsallee war bis zum Zweiten Weltkrieg
kleinteilig parzelliert und mit verschiedenen Gebäuden bebaut. 1877/78
sind Hotelier Caspar Walrafen, 1899 Hotelier Jos. Dikob mit Eigentum
belegt (Hotel mit Saalbau auf Ecke Königsalle/Casinostraße). Weiterer
Parzellenbesitz findet sich 1892 in der Hand von Johann Heinrich Lüps,
Johann Mathias Lüps und Gebr. Müser, 1899 von Dinsing. Gänzlich neue
bauliche Verhältnisse schuf erst 1949-52 der Rathausneubau, der die
bestehenden Rathausgebäude bis zur Königsallee erweiterte. Es
handelt sich um ein langgestrecktes dreigeschossiges Backsteingebäude
mit abgewalmtem Steildach und einem natursteinverkleidetem
Eingangsrisalit, der mit einer offenen Kolonnade den davorliegenden Bürgersteig
überbaut. Die
in regelmäßiger Achsialität gereihten Fenster besitzen Werksteingewände
und ruhen an der Fassade zur Bahnhofstraße im Erd- und oberstem
Geschoss auf einem dünnen Sohlbankgesims. Die zweiflügeligen Fenster
sind hochrechteckig mit Kreuzstockteilung sowie weiterer Sprossung der
Teilflächen; diejenigen im ersten Obergeschoss des Risalits sind durch
ihre Größe hervorgehoben und kennzeichnen so den dahinter befindlichen
Ratssaal. Seiten-
und rückwärtige Fassade sind entsprechend gestaltet, jedoch mit
reduzierter Gliederung bzw. als glatte Lochfassaden. Im Risalit der Rückseite
befindet sich ein Hintereingang mit originaler zweiflügeliger
Holz-Glastür. Die Dachflächen sind durchweg durch Gauben bzw. Fensterbänder
geöffnet. Man
betritt das Gebäude über flache Treppenstufen durch eine zweiflügelige
Glastür mit goldeloxierter Rahmung, die bereits andeutet, dass im
Inneren die Raumausstattung der Ursprungszeit in den öffentlichen bzw.
repräsentativen Bereichen Eingang, Foyer, Treppenhaus, Ratssaal und
teilweise Fluren noch umfänglich erhalten ist. Der Eingangs-Windfang
mit halbhoher marmorierter Wandverkleidung, goldeloxierter Heizkörperverkleidung
und ebensolchem Handlauf führt über einige weitere Stufen und eine
weitere zweiflügelige Tür mit Oberlicht in der Art der Eingangstür in
das Foyer. Von
dort aus erschließt sich der regelmäßige Grundriss dieses Gebäudeteils:
an das in jedem Geschoss angeordnete Foyer schließt sich ein Mittelflur
an, an dem beidseitig die Büroräume aufgereiht sind. Die Geschosse
verbindet das an der Rückseite des Eingangsrisalits befindliche, durch
hochrechteckige Öffnungen akzentuierte Treppenhaus mit einer gerade
dreiläufigen Treppe mit gleichsinnigem Richtungswechsel und
buntverglasten Fenstern. Im Foyer selbst tragen rechteckige,
marmorverkleidete Pfeiler die Unterzüge der Decke. An Pfeilern und Wänden
der Foyers in den einzelnen Geschossen sind verschiedene Wandlampentypen
der Ursprungszeit erhalten, ebenso Deckenlampen. Das Brüstungsgeländer
der Treppe ist als niedrige Brüstung mit marmorner Abdeckung und darauf
aufgestelztem goldeloxierten Handlauf gestaltet. Wichtige Details wie
Heizkörperverkleidungen und in die Wand integrierte Schaukästen, aber
auch der kleinteilige Plattenboden im Erdgeschoss mit den erhaltenen hölzernen
Wartebänken in den Fluren tragen zum historischen Raumeindruck
wesentlich bei. In
den Foyers und in den Fluren wird die Unterzugkonstruktion des Gebäudes
als raumgestaltendes- und rhythmisierendes Element betont. Besonders
repräsentativ und damit als wichtigster Raum ausgezeichnet ist der
Sitzungssaal (Alter Ratssaal) im ersten Obergeschoss. Er ist vom Foyer
aus durch zwei hohe Eingänge mit zweiflügeligen Holztüren in Rahmen-Füllungs-Bauweise
zu erreichen. Der Saal selbst besitzt einen Parkettboden und eine quer
zum Gebäudegrundriss durch Stege in querrechteckige Felder kassettierte
Decke. Die Reihung großer, lanzettartig hochrechteckiger Fenster mit
Kreuz- und Sprossenteilung, verbunden mit einer hölzernen Wandvertäfelung
mit integrierten Heizkörperverkleidungen, stellt eine der Funktion gemäße
Würdeform dar. Annähernd raumhohe Falttüren trennen den Saal von den
angrenzenden Räumen. Im
ersten Obergeschoss (Flur, Alter Ratssaal) schmücken großformatige Gemälde
des Malers Matthäus Schiestl (1869-1939) die Wände. Die zum Teil
religiösen, teils allegorische Motiven sowie Szenen aus der Sagen- und
Minnewelt des Rheinlandes waren im Auftrag von Josef Kaiser 1924/25 für
das „Schiestl-Zimmer“ in Haus Clee in Waldniel angefertigt worden.
1950 schenkte Kaiser Gemälde und Möbel des Bruders Heinz Schiestl
seiner Vaterstadt. Schiestl war zu seiner Zeit ein vor allem in Süddeutschland
sehr bekannter Maler und Grafiker, der sich fast ausschließlich religiösen
und volkstümlichen („altdeutschen“) Themen in gegenständlicher
Darstellung widmete. Durch Reproduktionsgrafik („Schiestl-Bildchen“)
fanden seine Bilder weite Verbreitung. Nach seinem Tode war Schiestl bis
zu seiner „Wiederentdeckung“ durch eine Dissertation 1988/90
weitgehend vergessen. Die Viersener Bilder aus Haus Clee sind einige der
ganz wenigen Werke Schiestls für Auftraggeber außerhalb Bayerns (zu
nennen noch: Gemälde für St. Elisabeth in Bonn, 1911-21). Die
Verbindung zu Josef Kaiser stellte wahrscheinlich der Bonner Restaurator
Hermann Goldkuhle her. Baugeschichtlich
ist das Gebäude stark den Repräsentations- und Würdeformen der 1920er
und 1930er Jahre verpflichtet, was typisch für die frühe Planung 1949
ist. Zu diesem Zeitpunkt war die Gleichsetzung des Neuen Bauens mit
demokratischer Architektur in der neuen Bundesrepublik noch nicht
etabliert, und gerade öffentliche Baubehörden bevorzugten nach wie vor
konservativ-“gediegene“ Bauformen. Der natursteinverkleidete
Eingangsrisalit nimmt darüber hinaus mit seiner Überbauung des Bürgersteiges
ein klassisches ikonographisches Motiv des Rathausbaus seit dem
Mittelalter, die offene Laube, in abstrahierter Form wieder auf.
Traditionalistisch-konservative Würdeformen prägen auch die in
beachtlicher Vollständigkeit erhaltene Raumausstattung. Stimmig zur
Bauauffassung verhalten sich auch die Gemälde von Matthäus Schiestl,
auch wenn sie ursprünglich nicht für dieses Gebäude angefertigt
wurden. Als
Rathaus und wichtigster Repräsentationsbau der Stadt aus der Zeit des
Wiederaufbaus nach 1945 ist das Gebäude Bahnhofstraße 23 bedeutend für
Viersen. Zusammen mit den benachbarten evangelischen Gemeindehaus bildet
es einen städtebaulichen Fokus öffentlicher Gebäude mit qualitätvoller
traditionalistischer Formensprache der 1950er Jahre im Zentrum der
Stadt. An seiner Erhaltung und Nutzung besteht aus dargelegten
wissenschaftlichen, insbesondere orts- und architekturgeschichtlichen
sowie aus städtebaulichen Gründen ein öffentliches Interesse. Insgesamt
ist das Gebäude Bahnhofstraße 23-29 als Rathaus bedeutend für
Viersen. Aus den im einzelnen angeführten architektur- und
ortsgeschichtlichen sowie städtebaulichen Gründen besteht an seiner
Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse. Es handelt sich daher
gemäß § 2 (1) insgesamt um ein Baudenkmal.
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