Denkmale in der Stadt Viersen |
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Lfd. - Nr. 431 |
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Standort: Bruchstraße 24, D 41749 Viersen GPS: 51o 17' 18,6" N 06o 22' 45,4" O Zuständigkeit: Privat Baujahr: 1958 - 1960 Tag der Eintragung als Denkmal 18. April 2002 Quellenhinweis: Beschreibung der Denkmalbehörde
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Wohnhaus und Atelier in Süchteln
Denkmalbeschreibung: Das Wohnhaus Bruchstraße 24 befindet sich in freier
Lage am nord-östlichen Rand von Süchteln. Es wurde 1958-60 von dem
Architekten Hermann Breidenbach als Wohnhaus mit Atelier für sich und
seine Familie errichtet. Das Grundstück geht rückwärtig in eine
regionaltypische offene Bruchlandschaft über, was besondere Beachtung
verdient, da der Gedanke der ineinander fließenden Verbindung von Natur
und Bauwerk, ein oft postuliertes Ansinnen der architektonischen
Moderne, offensichtlich auch in die Gestaltung des Hauses eingeflossen
ist. Der freistehende Flachbau erstreckt sich mit einem
Souterrain- und einem Wohngeschoss auf laut Bauplan 10,25 m x 12,50 m
Grundfläche. Das Dach ist leicht nach innen geneigt, mit dem
„Knick“ asymmetrisch etwa auf Höhe des ersten Drittels der
Gesamttiefe des Hauses. Zugehörig ist seitlich eine Garage, die ursprünglich
sogar direkt mit dem Haus verbunden werden und als zusätzlicher
Austritt dienen sollte, was aber baurechtlich nicht genehmigungsfähig
war. Der Zugang zum Haus erfolgt von der Seite. Lediglich die seitlichen Wandscheiben bestehen aus
massivem, weiß geschlämmten Mauerwerk, nach vorne und nach hinten sind
die Flächen im Wohngeschoss in Fenster aufgelöst und nur im
Souterraingeschoss gemauert, mit unterschiedlich dimensionierten
Einzelfenstern. Im Inneren unterstützt ein gemauerter Kern auf etwa 4 x
5 m Grundfläche die Konstruktion. Eine Skelettkonstruktion aus
Holzfertigteilen trägt mit aufgeständerten, längsgeführten
Binderbalken das Dach. Die seitlichen Wände sind, da nur mit wenigen Öffnungen
versehen, als Flächen betont. Dem kompakten Baukörper sind auf der
Gartenseite ein Balkon und seitlich jeweils die Zugangstreppen bzw.
-Podeste als filigrane Metallkonstruktionen beigestellt. Links führt
eine Treppe zum hochliegenden Wohngeschoss. Sie war ursprünglich ein
Nebeneingang in die ehemals vorhandene separate Einliegerwohnung. Rechts
ist der Eingang in das Souterraingeschoss; die ursprünglich dort
befindliche zweite Treppe ins Wohngeschoss ist derzeit nicht vorhanden.
Außerdem bestehen „private“ Zugänge in die beiden Geschosse von
der Gartenseite aus, zu welchem Zweck eine weitere Treppe vom Garten aus
auf den Balkon führt. Die Aufteilung des Inneren hat sich gegenüber dem
ursprünglichen Entwurf lediglich insofern geändert, als die ehemals
vorhandene, abgetrennte Einliegerwohnung nicht mehr besteht. Dies hat im
Wohngeschoss zu einer Intensivierung des ohnehin offen angelegten
Raumbildes geführt, da nun sämtliche um den Kern herumgeführten
Wohnbereiche mehr oder weniger, z.T. durch offene Raumteiler
unterbrochen, ineinander übergehen können. Der innere Kern dient dabei
als Funktions- u. Nasszelle, d.h. er nimmt Küche und Bad auf. Wohn-,
Schlaf- und Essbereich gruppieren sich um ihn herum. Der Raumeindruck
wird darüber hinaus ganz wesentlich durch das leicht erschließbare
Konstruktions- und Materialprinzip aus Wandscheibe, Fensterwand, Kern
und offen liegenden Holzdachbindern mit zugehöriger Aufständerung geprägt. Im Souterraingeschoss befindet sich, neben den
notwendigen Wirtschaftsräumen, das Architekturatelier, welches in den
seinerzeit eingereichten Bauantragsunterlagen aus baurechtlichen Gründen
zwar nicht deklariert werden durfte, jedoch von Anfang an dort bestand.
Die großzügige Verglasung nach vorne und hinten sowie der große
Raumzuschnitt sind hier über die moderne Ästhetik hinaus selbstverständlich
auch funktional unabdingbar. Eine innenliegende gerade Treppe verbindet
die beiden Ebenen. Der Architekt Hermann Breidenbach (1933-1977) hatte
sein Architekturstudium an der Werkkunstschule Krefeld (F.G. Winter,
Josef Ehren) mit einer zuvor absolvierten Schreiner- und einer nach der
Zwischenprüfung unternommenen Maurerlehre verbunden. Nach dem Studium
war er 1957-59 zunächst im Büro von Rudolf Krüger in Saarbrücken tätig.
1959 verlegte er , auch dokumentiert mit seinem Süchtelner Haus, Wohn-
und Tätigkeitsfeld wieder an den Niederrhein. Vorübergehend war er
noch im Büro Witte (Düsseldorf) angestellt, machte sich dann aber
selbständig. Neben Neubauten widmete er sich ab 1962, beginnend mit der
Restaurierung der Irmgardiskapelle in Süchteln, schwerpunktmäßig
denkmalpflegerischen Arbeiten. Rasch wurde er zu einem Motor und
Wegbereiter der Denkmalpflege am linken Niederrhein - lange vor dem
eigentlichen „Durchbruch“ dieses öffentlichen Anliegens in den
1970er Jahren. „An vielen Stellen des Kreises (Viersen) bestimmen
heute wieder Höfe und kleine Herrensitze die Niederrheinlandschaft, städtische
Wohnhäuser ihren Straßenzug, die seit langem verfielen oder erst vor
kurzem abgegeben worden waren und die nach Hermann Breidenbachs Plänen
einer neuen lebendigen Nutzung wiedergewonnen wurden“. Der Nachruf von
Georg Mörsch, dem dieses Zitat entnommen ist, nennt bewusst nur wenige
von Breidenbach betreute Objekte, die allein aber bereits einen kleinen
Führer zu den bedeutendsten Baudenkmälern des Kreises Viersen ergeben. Die Wohnhausarchitektur der 1950er Jahre in
Deutschland war, neben ihren konservativen Strömungen, auch ein
Experimentierfeld für unkonventionelle neue Lösungen, mit denen der
Anschluss an die Nachkriegsmoderne in den USA, in den Niederlanden oder
in Skandinavien gesucht wurde, und in denen sich auch die Suche nach
neuen Wohnformen ausdrückt. Beim Wohnhaus eines Architekten kann zudem
vorausgesetzt werden, dass in besonderem Maße eigene bautechnische und
gestalterische Vorlieben verwirklicht werden, was bei fremder
Bauherrenschaft in der Regel so nicht möglich ist. In dieser Tradition steht auch das Wohnhaus Bruchstraße
24 in Süchteln. Schon seine unkonventionelle äußere Form zeigt, dass
es konstituierenden Entwurfs- und Gestaltprinzipien der klassischen
Moderne verpflichtet ist. Die kompakte prägnante Baukörperform ist in
typischer Weise das Ergebnis veranschaulichter Konstruktion und die
aufgelösten Wandflächen gestalten eine Durchdringung von Innen und Außen,
was sich im Raumkontinuum des Inneren fortsetzt. Gerade das Thema der
Konstruktion im Zusammenhang unterschiedlicher Baumaterialien, und wie
aus ihr neue Methoden der Fertigung, der Strukturierung und der
Gestaltung von Architektur zu entwickeln sei, war ein Leitthema der
modernen Architektur der 1930er bis etwa 1960er Jahre. Es ist überliefert, dass mit FG Winter und
insbesondere Konrad Wachsmann zwei Architekten Bezugspunkte für den
jungen Architekten Hermann Breidenbach waren, die sich intensiv mit
solchen Entwicklungen beschäftigten. Konrad Wachsmann (1901-1980), ausgebildet als
Schreiner und Zimmermann und später als Architekt bei Tessenow und
Poelzig, wurde 1926/27 Chefarchitekt der auf Holzfertigbausysteme
spezialisierten Fa. Christoph & Unmack im schlesischen Niesky; in
deren Fachwerksystem baute er 1927 ein Lungensanatorium und 1928-29 das
Wochenendhaus von Albert Einstein in Caputh. 1932 verließ Wachsmann
Deutschland (u.a. Rom, Granada, Frankreich), 1941 emigrierte er endgültig
in die USA. Zusammen mit Walter Gropius entwickelte er dort das legendäre
General Panel-Fertigbausystem aus Sperrholzpaneelen; des weiteren
befasste er sich vorrangig mit Konstruktionssystemen, z.B. „Mobilar
Structure“ bei Flugzeughallen. „Wachsmann vertrat einen technisch begründeten
Funktionalismus und einen prophetischen Zukunftsoptimismus. Mit seinen
Baukastensystemen beeinflußte Wachsmann unter anderem High Tech,
Strukturalismus, Ökologische Architektur und Plattenbau“ (Lexikon d.
Arch. d. 20. Jh., S.406). Obwohl im Gegensatz zu anderen Pionieren der Moderne
namentlich wenig bekannt, ist die Vorbildwirkung Wachsmanns auf
Architekten der 1950-1970er Jahre erheblich. Publikationen und eine
umfangreiche Vortrags- und Lehrtätigkeit trugen dazu bei. Das
biographische Buch „Der Wachsmann-Report“ legt davon ein beredtes
Zeugnis ab. Im Zusammenhang mit dem Süchtelner Haus ist vor allem
die Rolle Wachsmanns bei der Weiterentwicklung der Holzbauweise von
Interesse. Innerhalb des Bemühens der modernen Architektur nach
Normierung und Standardisierung im Sinne weitmöglicher Vorfertigung
spielte Holz als eigentlich vor-industrieller Baustoff zeitweise eine
wichtige Rolle. Zum einen gab es bei Fachwerkbau oder Dachstühlen schon
eine Jahrhunderte bewährte Vorfertigungstradition, zum anderen handelt
es sich um einen leicht verfügbaren und bearbeitbaren Baustoff, was den
Aufgabenstellungen des industriellen Zeitalters und einer möglichst
preiswerten Massenbauweise entgegenkommt. Die Pionier-Arbeiten
Wachsmanns aus den zwanziger Jahren sind in seinem Buch
„Holzhausbau“ von 1930 dokumentiert. Im Süchtelner Wohnhaus
Breidenbachs sind diese Gedanken in der dem Fachwerkbau durchaus
nahestehenden Dachbinder-Konstruktion aus Holz-Fertigelementen
eingeflossen. Die Krefelder Werkkunstschule, auf der Breidenbach
studiert hatte, war unter der Leitung des Architekten FG (Fritz
Gottlieb) Winter (1910-1987) eine jener Ausbildungsstätten, die - im Rückgriff
auf das Bauhaus - solche Ideen in den 1950er Jahren in Deutschland
vermittelten. Rückblickend schrieb Winter hierzu 1968: „Das Krefelder
Institut hieß als erste ehemalige deutsche Meisterschule
‘Werkkunstschule’ und entwickelte gegen alle behördlichen,
kollegialen, verbands- und innungspolitischen Widerstände, gegen eine
restaurativ denkende Umgebung und heftige Pressefehden eine neue
Konzeption mit Betonung von Bauentwurf, industrial design, Grafik und
Gestaltlehre, in welcher das Handwerk als Erziehungsfaktor gewertet
wurde.“
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