Denkmale in der Stadt Viersen

Lfd. - Nr. 400

 

Standort:

Dülkener Straße 21,  D 41747 Viersen

GPS:

5115' 31,9" N   06o 23' 04,9" O

Zuständigkeit:

Privat

Baujahr:

1908

Tag der Eintragung als Denkmal

9. November 2000

Quellenhinweis:

Beschreibung der Denkmalbehörde

 

 

 

 

Wohnhaus und Arztpraxis in Viersen

        

Denkmalbeschreibung:


Das Wohnhaus Dülkener Straße 21 wird 1908 nach einem Entwurf des Viersener Architekten Willy Esser für den Arzt Dr. Hans Hendriksen errichtet. Anfangs unterhält Dr. Hendriksen im Erdgeschoss auch eine private Arztpraxis.

Es handelt sich um ein eingebautes zweiachsiges dreigeschossiges Wohnhaus, dessen Traufständigkeit durch ein großes, beinah die gesamte Fassadenbreite einnehmendes zweigeschossiges Zwerchhaus verunklärt wird. Der Giebel des Zwerchhauses ist mansarddachartig gebrochen.
Die Fassade selbst hat, bedingt durch Schäden des Zweiten Weltkriegs, gegenüber den ursprünglichen Bauantragszeichnungen eine geringfügige Purifizierung erfahren. Zunächst vorgesehene einschneidende Änderungen der Giebelgestalt sind jedoch nicht umgesetzt worden.
Die Fassade ist über Sockel einheitlich glatt verputzt. Zu Zweier- bzw. Dreiergruppen zusammengebundene hochrechteckige Fenster bilden die beiden Achsen aus, von denen die rechte durch den rundbogigen Eingang und einen darüber befindlichen Segment-Erker betont wird. Unter dessen glockendachartiger Bedachung sind zwei Eck-Speier in Form von Vogel- oder Fabelwesenköpfen angebracht.
Die Gartenseite des Hauses ist glatt verputzt und in den Öffnungen (Balkon im ersten Obergeschoss) zum Teil verändert. Alte Fenster inklusive Beschläge sind zum Teil erhalten. Die Haustür wird in den 1950er Jahren erneuert.
Im Inneren sind in bemerkenswerter Geschlossenheit ursprüngliche Raumstruktur und Ausstattung erhalten. Man betritt zunächst einen Flur mit halbhoher (Stuck-?) Marmor-Wandverkleidung und kassettierter Spiegeldecke mit geraden volutenartigen Schrägen. Dieses dreiteilige Motiv aus geradem Abschluss mit seitlichen Schrägen wird im Haus wiederholt aufgenommen, so bei den Zimmertüren (Glaseinsätze) und den Oberlicht-Raumteilern. Auch der korbbogige Durchgang vom Vestibül zur zentralen Treppenhaushalle zeigt in seiner zentralen Tür diese Form. In das ebenso wie Tür und Seitenteile verglaste, gesprosste Oberlicht des Durchgangs ist eine Leuchte integriert.
In der zentralen Treppenhaushalle beeindruckt die großzügige, bis ins zweite Obergeschoss reichende Holztreppe, gerade dreiläufig mit geraden Geländerstäben und ornamentierten, jugendstilbeeinflussten Anfangspfosten. Das authentisch erhaltene Raumbild vervollständigen die buntverglasten Ornamentfenster (T-Stock zwischen Erd- und erstem Obergeschoss, dreiteilig getreppt zwischen erstem und zweiten Obergeschoss), die Anordnung der Podesttoilettenräume und die originalen Zimmertüren. Eine mächtige Kassettendecke schließt die Treppe nach oben ab.
Im Erdgeschoss befinden sich ursprünglich Sprech- und Wartezimmer der privaten Arztpraxis, heute Wohnräume, und die an selber Stelle erhaltene Küche. Ansonsten entspricht die heutige Raumnutzung im wesentlichen noch der 1908 geplanten. So sieht der Entwurf im ersten Obergeschoss repräsentative Wohnräume (Esszimmer, Salon, zum Teil mit Deckenstuck in frei interpretierten historisierenden Formen und Parkettböden) und eine Veranda vor, deren halboffener Charakter zugunsten stärkerer Geschlossenheit abgeändert wird. Schlafzimmer im zweiten Obergeschoss und weitere Zimmer (im Plan bezeichnet Fremdenzimmer und Vorratskammer) runden das Raumprogramm ab. Besonders hervorzuheben ist der noch in Betrieb befindliche Speiseaufzug zwischen Küche und ersten Obergeschoss, dessen Mechanik 1968 erneuert wird.

Medizinalrat Dr. Hans Hendriksen, geboren am 13.12.1875 in Geldern und seit 1905 als praktischer Arzt in Viersen tätig, gilt bei seinem Tode (14.12.1968) als „Senior der Viersener Ärzte". Ein Nachruf der Westdeutschen Zeitung beschreibt seinen Lebenslauf und Bedeutung als wichtige Persönlichkeit des öffentlichen Lebens in Viersen: „Sein unvergängliches Verdienst bleibt die Gründung des Viersener Kinderkrankenhauses St. Nikolaus im Jahre 1921, welches er durch beharrliche Initiative und unbeirrt durch viele Schwierigkeiten, insbesondere finanzieller Art, zu einem Institut von höchstem Rufe nicht nur in Viersen selbst, sondern auch im weiteren Umkreis entwickelte. Ein wichtiges Ereignis war die im Jahre 1927 von ihm eingerichtete Schwesternschule, die 1930 als 'Schule für Säuglings- und Kleinkinderkrankenpflege' staatliche Anerkennung erhielt. Zahlreiche Schwestern erhielten hier ihr Diplom. Nach 30jähriger Tätigkeit als Chefarzt übernahm die Leitung sein Schwiegersohn Dr. Bartholomé, unter dessen Leitung das Haus ständig vergrößert und den modernen Erfordernissen angepasst wurde. Seit 1927 hatte Dr. Hendriksen seine Praxis aufgegeben und war Amtsarzt der Stadt Viersen." (WZ 15.02.1968). 1950 legt Hendriksen auch sein Amt als Leiter des Kinderkrankenhauses nieder und tritt in den Ruhestand.
Anmerkung verdient, das nicht nur Hendriksen, sondern nach ihm auch sein Nachfolger und Schwiegersohn Dr. Günther Bartholomé (30.01.1914-24.01.1985) das Haus Dülkener Straße 21 mit seiner Familie bewohnt.
Das von Hendriksen gegründete Kinderkrankenhaus Am Klosterweiher ist seit 1999 in die Denkmalliste der Stadt Viersen eingetragen.

Der Architekt Willy Esser (1877-1953) ist wohl der bedeutendste Architekt Viersens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Etwa gleichzeitige, noch zu seinen frühen Werken zählende Bauten sind die beiden Stadtbäder in Viersen und Dülken, die Rathauserweiterung in Dülken und sein eigenes Wohnhaus Carl-von-Ossietzky-Straße 2. Die Prominenz dieser (öffentlichen) Bauaufgaben beweist, das Esser schon in jungen Jahren als geeignet und fähig für bedeutende Bauaufgaben gilt. So wie diese Bauten deutlich in zeitgenössischer späthistoristischer Tradition stehen, zeigt sich Esser in seinem weiteren Schaffen bis in die fünfziger Jahre hinein als wandlungsbereiter, an aktueller Baukunst sich orientierender Architekt. Mit der Hammer Grundschule an der Bachstraße entwirft er 1930 ein beachtliches Zeugnis backsteinexpressionistischen Neuen Bauens, sein Evangelisches Gemeindehaus an der Königsallee (posthum 1954 fertiggestellt) zeigt gestalterisch qualitätvolle Formen einer in den fünfziger Jahren verbreiteten konservativen Moderne.

Das Gebäude ist ein vor allem im Inneren ein noch in ungewöhnlich vollständiger Weise erhaltenes Zeugnis eines innerstädtischen Einfamilienhauses aus dem frühen 20. Jahrhundert. Die im wesentlichen bis in Details noch vorhandene Ausstattung ist von ausgezeichneter Qualität und überliefert ein anschauliches Bild gehobenen bürgerlichen Wohnens jener Jahre. Wegen dieses Zeugniswertes und als Wohn- und ehemals auch Praxishaus sowohl des ersten Leiters des Städtischen Kinderkrankenhauses als auch seines Nachfolgers ist das Gebäude Dülkener Straße 21 bedeutend für Viersen. Wegen seines weitgehend ursprünglichen Erhaltungszustandes und als Werk des für Viersen bedeutenden Architekten Willy Esser besteht an der Erhaltung und Nutzung aus wissenschaftlichen, insbesondere architekturgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse. Es ist daher gemäß § 2 (1) Denkmalschutzgesetz NRW ein Baudenkmal.