Denkmale in der Stadt Viersen

Lfd. - Nr. 384

 

Standort:

Heimbachstraße 12,  D 41747 Viersen

GPS:

5115' 12,5" N   06o 23' 26,5" O

Zuständigkeit:

Privat

Baujahr:

1910 / 1911

Tag der Eintragung als Denkmal

23. Februar 2000

Quellenhinweis:

Beschreibung der Denkmalbehörde

 

 

 

 

Villa Heine in Viersen

Denkmalbeschreibung:

Das Haus Heimbachstraße 12 in Viersen wurde 1910/11 nach Plänen des Architekten Robert Neuhaus als Wohnhaus für den Fabrikanten Ernst Heine errichtet.

Bemerkenswert ist zunächst die sehr zentrale Lage des Gebäudes, in einer Seitenstraße der Hauptstraße, mit seinem Grundstück direkt an die Festhalle und an den davor befindlichen Platz grenzend. Damit befindet es sich auffällig in der Tradition der älteren Unternehmerwohnhäuser in Viersen (Mitte / 2. Hälfte 19. Jahrhundert), was aber zur Zeit seiner Errichtung anderswo eher ungewöhnlich ist, da man ein Gebäude dieses Anspruchs jetzt eher in einer Vorstadt oder einem entsprechenden Viertel lokalisieren würde.

Als somit bewusst städtische Villa steht das Haus unmittelbar an der Straße. Zu seiner rechten Seite und nach hinten erstreckt sich ein großer Garten, der in den erhaltenen Entwurfszeichnungen durchgestaltet war und u.a. auch einen Gartenpavillon umfasste. Der Pavillon ist heute zu einem (zum Platz geöffneten) Kiosk umgebaut und zum Zeitpunkt der Erfassung bereits ebenso wie ein Teil des Gartens für die Erweiterung der Festhalle überplant.

Die Straßenfassade gliedert sich in ein hohes, einem Erdgeschoss gleichen Sockelgeschoss mit Natursteinverkleidung (z.T. mit bossierten Quadern), zwei verputzte Obergeschosse und ein gaubenbesetztes Mansarddach. Der Hauseingang ist aus der Mitte nach rechts verschoben angeordnet. Die rechte Achse der Fassade ist als Treppenhaus ausgewiesen, da die beiden Fenster hier zwischen den vorgegebenen Geschossebenen liegen. So reicht das rundbogige untere der beiden über die obere Linie der Natursteinverkleidung heraus (und wird von einem Rundbogen aus diesem Naturstein überfangen), das rechteckige obere wird von einem liegenden Ovalfenster und einer Verdachung bekrönt, die aus einem geschweiften Giebel mit Kämpferplatten auf flachen Konsolen besteht und sich bis auf halbe Höhe des Fensters als angedeutete eingetiefte Rahmung fortsetzt.

Die Sohlbänke der jeweils vier Fenster der beiden Obergeschosse sind gesimsartig miteinander verbunden. Durch die ehemals vorhandenen Fensterläden kam hier, wenn diese geöffnet waren, eine absichtsvoll proportionierte rhythmische Reihe aus gesprossten Fenstern und Läden zustande, wohingegen die Fassade ohne Fensterläden heute etwas kahl wirkt. Von wenigen Ausnahmen (in der Mansarde) abgesehen sind alte gesprosste Holzfenster Fenster erhalten.

Während die von der Heimbachstraße aus linke Seite des Hauses als Brandwand (unverputzter Backstein) ausgebildet ist, sind die nach rechts und nach hinten zum Garten gerichteten Fassaden ebenfalls als glatte Putzwände gestaltet. Auffallend sind die flache Ausbuchtung der rechten Seite, in der Art eines dreiseitig gebrochenen Erkers über alle drei Geschosse hinweg, und der doppelgeschossige Altan an der Rückseite, der beiden Obergeschossen einen Austritt und dem Erdgeschoss einen überdachten laubenartigen Sitzplatz im Freien bietet (seitlich rund-, nach hinten korbbogig geöffnet). Ein stehendes Ovalfenster mit wohl noch originalem Gitter markiert die dahinterliegende Dienstbotentreppe.

Man betritt das Haus durch eine breite hölzerne Eingangstür mit Glaseinsatz. Entsprechend dem typischen gehobenen Wohnstil der Zeit war das Sockelgeschoss den untergeordneten Funktionsräumen für das Personal vorbehalten: Küche mit Küchenzimmer und Anrichte, Dienstbotentoilette, Garderobe; dazu im Entwurfsplan ein "Kinderzimmer" (!), "Heizung und Coaks" sowie ein "Geräteraum" unter dem Treppenaufgang.

Die räumliche Anordnung ist im wesentlichen noch unverändert abzulesen. Der Eingangsflur ist durch zwei gedrückte Rundbogen von Garderobe (links) und Treppe (rechts) abgesetzt. Zur holzvertäfelten Garderobe ist der Bogen mit Raumteilern aus Holz gefüllt. Im unteren Bereich ist er geschlossen, im oberen besitzt er die gleichen regelmäßig gedrechselten Stäbe wie die Treppe, die sich rechts des Eingangs befindet. Etwas unsicher muss bleiben, ob die hohe kasettierte Wandverkleidung der Garderobe ursprünglich ist, da sie zwar einerseits derjenigen der Beletage darüber entspricht, die in sie integrierten Toilettenzugänge aber so nicht im Entwurfsplan vorgesehen sind (vermutlich gab es hier eine Planänderung). Ihre sehr dunkle Holzfarbe stimmt ferner mit dem gesamten Raumeindruck überein, den die gleichfarbige Treppe und die Holzverkleidungen der Beletage herstellen und der dem Zeitgeschmack noblen Wohnstils der Bauzeit entstammt. Die hinter der Eingangshalle liegenden Räume des Personals sind durch ein "Portal" mit geschrägter Laibung, besetzt mit stehenden Rauten mit Muschelmotiv und einem eierstabartigen Fries, zu erreichen (die Tür erneuert). Sie sind erkennbar schlicht ausgeführt. Erhalten sind vor allem die Küche, von der aus unter dem Altan der Garten betreten werden kann (die Tür mit Oberlicht beidseits begleitet von Fenstern), und das kleine Zwischenzimmer der Anrichte mit der Dienstbotentreppe (deren Zugang zum Obergeschoss allerdings heute geschlossen ist). Auch der große, im Entwurf als "Kinderzimmer" bezeichnete Raum besitzt einen Zugang in den Garten und eine Reihe Wandschränke.

Rechts des Eingangs befindet sich ein über zwei Stufen zu erreichendes Podest und von ihm ausgehend die breite originale Holztreppe (gerade gegenläufig mit Wendepodest) zu den Obergeschossen. Ihr Anlaufpfosten setzt sich zusammen aus einem einfachen dünnen Stab, der von den eierstabartig regelmäßig gedrechselten Stäben des Geländers umstanden ist. Diese Gestaltung unterscheidet sich durchaus von den meist sehr viel aufwendiger, konkreter ornamentierten Formen des Historismus oder noch des Jugendstils. Vom Anfangspodest aus ist durch eine rundbogige Tür der Geräteraum unter der Treppe zu betreten.

Das erste Obergeschoss (in den Entwurfsplänen als "Erdgeschoss" bezeichnet!) war und ist die Beletage des Hauses. Seine vier großen Räume besitzen alle noch in Einzelform und Umfang unterschiedliche, stilistisch aber gleichartige wandfeste Ausstattung und Fußboden- bzw. Deckengestaltung. Sie werden erschlossen durch einen quergelagerten Mittelflur, der in der Seitenfassade zum Garten in dem dreiseitigen Erker ausläuft und von dort sein Tageslicht erhält. Gegenüber der Treppe befindet sich das ehemalige "Herrenzimmer" mit der aufwendigsten Wandverkleidung: Wandschränke bzw. mit Glasfenstern geschlossene Bücherregale (mit kleinen Rundstäben vor den Scheiben), hölzerne Wandverkleidung, ab halber Höhe und über den Regalen mit Putz- / Tapetenfeldern, Heizkörperverkleidungen (an der gartenseitigen Wand, mit gedrechselten Stäben wie an der Treppe) mit Fenstern darüber und einer doppelflügeligen Tür zum Austritt davor. Alle diese Elemente sind in vornehm dunklem Holz gehalten. Die stuckierte Decke zeigt in der Mitte ein eingetieftes geschweiftes Schmuckfeld, dessen Profile von einem Zahnschnittband bzw. einem Eierstabfries begleitet werden. Den Austritt zieren auf der Brüstung aufstehende kleine Säulchen.Der kleine Raum daneben (heute Teeküche) ist die ehemalige Anrichte, zu der ursprünglich eine Treppe aus dem Sockelgeschoss hochführte (s.o.). Gegenüber, neben der Treppe, befand sich ein "Salon", der noch seine Stuckdecke mit rundem Spiegel besitzt. Die beiden Zimmer an der Stirnwand schließlich sind im Entwurf als Wohn- und Esszimmer ausgewiesen. Sie sind miteinander durch einen großen hölzernen Schiebetüreinbau verbunden. Das (linke) Wohnzimmer ist bis halbe Höhe holzvertäfelt und hat eine Stuckdecke mit umlaufenden Rundstabfries an der Kehle. Im Esszimmer fehlen die Wandverkleidungen, die Decke zeigt einen kleinen Deutsches-Band-Fries. Im Wohnzimmer beherrscht unmittelbar vor der Schiebetür ein breiter gedrückter Gurtbogen den Raumeindruck, dessen Ursprung und Motivation noch unklar sind. An der Außenwand schließt er an den dort befindlichen Kaminzug an. Die Wandverkleidungen und -einbauten aus dunklem Holz, dementsprechende Türen und Türrahmen, stuckierte Decken, Parkettboden und die typische Raumaufteilung definieren somit ein weitgehend ursprünglich und anschaulich erhaltenes Zeugnis einer typischen Beletage gehobenen Anspruchs.

Auf dem Wendepodest der Treppe zwischen erstem und zweitem Obergeschoss befindet sich in typischer Lage eine Toilette. Die Räume des zweiten Obergeschosses, im Grundriss gleich denen darunter angeordnet, waren als Schlaf- und Wohnzimmer vorgesehen; zwischen dem "Wohnzimmer" mit Austritt und den Schlafzimmern befand sich das Bad. Flur und Räume sind deutlich schlicht ausgeführt, mit einem einfachen Dielenboden und schlicht weißen Türen und Gewänden. In den Räumen sind zahlreiche einfache Wandschränke hervorzuheben. Zwischen diesem und dem als Personalwohnung ("Mägdezimmer") teilausgebauten Dachgeschoss ist die Treppe dann auch weiß gestrichen statt dunkelbraun.

Bauherr und Architekt
Der Bauherr, Ernst August Heine, 7.8.1858-17.10.1943, war zusammen mit seinem Bruder Georg (1856-1921) 1887 Gründer und bis zu seinem Tode Gesellschafter der Firma Gebr. Heine Zentrifugen. In der Geschäftsleitung verblieb er bis 1929/30 (vgl. StaVie, Sml. Heine, Nr. 251).

"Die 1887 von den Brüdern Georg und Ernst Heine gegründete Firma Gebr. Heine, Zentrifugenfabrik, war ein altes Viersener Unternehmen. Die Firma ging aus der von dem Vater Carl Friedrich Heine 1847 gegründeten Schmiede hervor, die in der Sektion Rintgen, Am Krapohl lag. Die ersten Produkte waren Webstühle und Färbereimaschinen. Noch im Gründungsjahr wurde mit der Herstellung von Zentrifugen, dem späteren Hauptprodukt, begonnen.

Die Firma war stark exportorientiert. Schon vor dem Ersten Weltkrieg gingen Lieferungen in das europäische (...) und das außereuropäische Ausland (...). Das mittelständische Unternehmen beschäftigte 1929 285 Mitarbeiter, 1981 nur noch 60 Mitarbeiter. Die als Personengesellschaft gegründete Firma nahm 1966 die Rechtsform einer GmbH & Co KG an. Sinkende Umsätze führten 1981 zur Übernahme durch die LUWA-SMS Butzbach, einer Tochter der LUWA AG, Zürich. Die Produktion wurde nach Butzbach, Hessen verlegt. Die Liegenschaft erwarb vor allem die Firma Trienekens. (...) Im Juni 1984 wurde die Heine Zentrifugen GmbH aus dem Handelsregister gelöscht." (Quelle: StaVie, Findbuch Sml. Heine, Einleitung). Anlässlich des 50jährigen Firmenjubiläums 1937 bezeichnete sich die Firma selbst als "größte Zentrifugenfabrik Europas" (vgl. Festschrift "Arbeit, Vertrauen, Erfolg. Heine Zentrífugen seit 1887" in StaVie, Sml. Heine, Nr. 83).

Ein L. Hansen war ein Schwiegersohn von Carl Friedrich Heine, d.h. Schwager der Gebr. Heine. Er errichtete die Fabrikgebäude der 1890er Jahre und später. Das Verwaltungsgebäude Ringstraße / Greefsallee entstand 1914 nach Plänen von Robert Neuhaus (von ihm dort ebenfalls ein Garagengebäude 1921/25 und ein Sozialgebäude "Arbeiterwohlfahrtshaus" 1927-29).

Der Architekt Robert Neuhaus zog 1894/95 von Köln nach Rheydt, nachdem ihm (zusammen mit Carl Schauppmeyer) dort im Wettbewerb für den Rathausneubau zunächst der dritte Preis und dann die Ausführung zugesprochen worden waren. 1895/96 entstand das Rheydter Rathaus nach seinen Plänen in neogotischem Stil, ebenso wie um 1900 die Häuser Bismarckstraße 97 und 99 in Mönchengladbach. In der Folgezeit entwickelte sich Neuhaus zu einem bedeutenden Villenarchitekten in Rheydt und Mönchengladbach. Hervorzuheben ist die überaus stattliche Villa Hecht, Mozartstraße 19 in Mönchengladbach, 1914-16 in neubarockem Stil (mit August Stief). Ein weiteres monumentales Rathaus, ebenfalls neogotisch, wurde nach seinem Entwurf 1902 in Hamborn errichtet.

Das Gesamtwerk von Neuhaus (Nachlass im Stadtarchiv Mönchengladbach) ist erst in Ansätzen gesichtet. Die Prominenz der ihm übertragenen Bauaufgaben weist ihn als einen regional überaus gefragten und bedeutenden Architekten aus. Stilistisch spiegelt sich in seinen bekannten Bauten der wechselnde Geschmack der Jahrzehnte und wohl auch seiner Bauherren wider. Neben ausgesprochen neogotischen und neobarocken Entwürfen stehen dabei eher neusachliche, bieder-meierliche Beispiele, zu denen neben den Villen Parkstraße 71 (stark verändert) und Zoppenbroich 65 in Mönchengladbach auch die Villa Heine in Viersen zu zählen ist.

Denkmalwert
Das Gebäude Heimbachstraße 12 ist bedeutend für die Geschichte des Menschen als gut erhaltenes Zeugnis gehobener bürgerlicher Wohnkultur in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Als Wohnhaus des Mitbegründers und langjährigen Geschäftsführers eines großen Viersener Unternehmens in für die Stadt typischer Innenstadtlage ist es zudem bedeutend für Viersen. An seiner Erhaltung und Nutzung besteht ein öffentliches Interesse aus wissenschaftlichen, hier architekturgeschichtlichen Gründen, da es sich um ein gut erhaltenes Zeugnis einer Stadtvilla vom Anfang des 20. Jahrhunderts handelt. Stilgeschichtlich steht das Gebäude für eine von Historismus und Jugendstil abgesetzte neusachliche Richtung vor allem im Villenbau, die ihre Formen aus einem purifiziert aufgefassten Neobarock mit biedermeierlich-klassizistischen Elementen bezog. Als Entwurf von Robert Neuhaus ist das Haus darüber hinaus das Werk eines bedeutenden Architekten und deshalb ebenfalls von architekturgeschichtlichem Interesse. Aus sozialgeschichtlichen Gründen erhaltenswert ist ferner vor allem die innere Raumaufteilung mit ihrer Scheidung von Personalräumen im Sockel- und Dachgeschoss einerseits und herrschaftlichen Zimmern in den Obergeschossen, vor allem in der Beletage andererseits. An der Erhaltung und Nutzung besteht ferner ein ortsgeschichtlich begründetes öffentliches Interesse, da es sich um das Wohnhaus eines bedeutenden Viersener Unternehmers handelt, dessen Firma in der Wirtschaftsgeschichte der Stadt beinah ein Jahrhundert lang eine wichtige Rolle spielte. Das vom selben Architekten geplante ehemalige Verwaltungsgebäude der Firma Gebr. Heine an der Ringstraße bildet inhaltlich ein Pendant, das den ortsgeschichtlichen Zeugniswert zusätzlich unterstützt. Schließlich liegt die Erhaltung und Nutzung der Villa Heine auch städtebaulich im öffentlichen Interesse, da es zum einen die im Stadtbauplan von 1860 definierte gerade Fluchtlinie der Heimbachstraße straßenraumprägend umsetzt und zum anderen zusammen mit der Festhalle einen von qualitätvoller historischer Bausubstanz geprägten Ort in der Innenstadt Viersens ausbildet.

Die Villa Heine, Heimbachstraße 12, ist bedeutend für die Geschichte des Menschen und Viersens. An ihrer Erhaltung und Nutzung besteht aus wissenschaftichen, hier architektur-, sozial- und ortsgeschichtlichen sowie städtebaulichen Gründen ein öffentliches Interesse. Sie ist daher gemäß § 2 (1) des Denkmalschutzgesetzes NW ein Baudenkmal.