Denkmale in der Stadt Viersen

Lfd. - Nr. 377

 

Standort:

Bahnhofsplatz 6, 7, 8, 9, / Goethestraße 2, / Lessingstraße 1,  D 41747 Viersen

GPS:

5115' 13,7" N   06o 24' 12,1" O

Zuständigkeit:

Privat

Baujahr:

1937

Tag der Eintragung als Denkmal

23. Februar 2000

Quellenhinweis:

Beschreibung der Denkmalbehörde

 

 

 

 

Wohnhausblock Kaisers Kaffee in Viersen

Denkmalbeschreibung:

Außerhalb des Zentrums von Viersen wurde kurz vor dem Ersten Weltkrieg im Zuge einer Neu- und Hochverlegung der Bahntrasse ein neuer Bahnhof angelegt. Das Empfangsgebäude wurde 1917 in Betrieb genommen. Im Zuge dieser Maßnahme wurde auch der Bahnhofsvorplatz angelegt, der jedoch an seinen übrigen Seiten vorerst noch ohne weitere Bebauung und damit städtebauliche Fassung blieb. Erst in den dreißiger Jahren wurde durch den hier in Frage stehenden Wohnhausblock versucht, diese unbefriedigende Situation zu verbessern. Zu diesem Zweck nahm die Stadt laut den erhaltenen Unterlagen 1935 Verhandlungen mit der Firma Kaisers Kaffee auf, um sie als Bauherrin für ein entsprechendes Projekt zu gewinnen. Auf einer perspektivischen Skizze vom März 1937 ist der Block Teil einer umfangreicheren Bebauung, die sich in die Bahnhofstraße hinein fortsetzt. Wohl durch den Krieg bedingt blieb er jedoch der einzige Teil, der zur Ausführung kommen konnte. Als Verfasser der Baupläne (Bauantrag April 1937) zeichnet Emil Fahrenkamp.

Baubeschreibung

Die Wohnhausgruppe besteht aus zwei Eckhäusern und vier Doppelwohnhäusern, die in der Ansicht zu einem einheitlichen zweigeschossigen Baukörper mit ausgebautem Steildach (altschwarze Ludowici-Hohlfalzziegel) entlang des Bahnhofplatzes zusammengefaßt sind. Zum Bahnhofsplatz besitzt er insgesamt vier Eingänge (und damit Treppenhäuser), zu den beiden Seitenstraße hin jeweils einen. Jedes Treppenhaus der Bahnhofsplatzseite erschließt jeweils vier Wohneinheiten in zwei Geschossen.

Anders als die gewöhnlich schlichteren Wohnhausblocks jener Zeit ist dieser, entsprechend seiner städtebaulichen Funktion, von auffallender architektonischer Gestalt, in einer gemäßigt neoklassizistisch-traditionalistischen Formensprache.

Hierzu tragen bei zum ersten die strenge Axialität der Fassade: Türen und Fenster sowie die Dachfenster liegen jeweils in einer Achse. Die Achse der Tür und des dahinter befindlichen Treppenhaus (mit jeweils zwei übereinanderliegenden Rundfenstern) ist zudem durch andersfarbigen Putz und eine Fassung der Seiten besonders betont. Auch die Fenster besitzen eigene Putzumrahmungen. Hinzu kommt ein Putzband unterhalb der Traufe. Ein weiteres besonderes Gestaltungselement ist die Hervorhebung der Eckblöcke Bahnhofsplatz/Seitenstraßen in einer eckpavillonartigen Weise durch geringfügiges Hervorziehen vor die Flucht und Abwalmung des Daches. In dem zur Innenstadt hin gelegenen Eckgebäude war ehemals ein Ladengeschäft untergebracht (1969 zu einer Wohnung umgebaut).

Zum rückwärtigen Garten hin besitzen die Wohnungen jeweils einen Balkon. Die strenge Fensterreihung der Vorderfront ist hier zugunsten einer stärkeren Bündelung entsprechend der Wohneinheiten aufgelöst.

Die Wohnungen der mittleren Wohneinheiten zeigen einen schlichten Grundriß mit zentraler Diele und sie umgebenden Zimmern: Küche, Bad, Schlafzimmer, Kinderzimmer, Wohnzimmer. Da die Wohnungen von Beginn an bereits Bäder mit Toilette enthielten, was für die Entstehungszeit durchaus ungewöhnlich ist, sind Grundrißveränderungen in den Wohnungen bis heute nach Auskunft der Eigentümer unterbleiben. Das ebenfalls schon ursprünglich ausgebaute Dachgeschoß bot zudem für jede Wohnung noch eine zusätzlich nutzbare Kammer (heute i.d.R. außer Gebrauch) und einen gemeinsamen Speicher. Die Wohnungen in den Eckhäusern besitzen die gleiche Raumaufteilung, allerdings auf etwas größerer Grundfläche.

Infolge von Modernisierungsmaßnahmen haben sich nur noch wenige originale Türen (Treppenhaustüren; Haustüren durchweg neu) und Holzfenster erhalten (u.a. Rundfenster der Treppenhäuser). Bodenplatten der Treppenhäuser und Treppen selbst (Holztreppen mit einfachen Stabgeländern) sind ebenfalls erhalten.

Der Architekt

Emil Fahrenkamp (1885-1966) muß als einer der wichtigsten deutschen Architekten des 20. Jahrhunderts angesehen werden. Geboren in Aachen, erhielt er seine Ausbildung an der dortigen Kunstgewerbeschule und TH sowie vor allem in Düsseldorf, im Büro von Wilhelm Kreis und an der Kunstgewerbeschule. Schon in den zwanziger Jahren war er an der Düsseldorfer Kunstakademie dann selbst als Dozent tätig. Schon sein "Frühwerk" jener Jahre umfaßt die gesamte Bandbreite architektonischen Ausdrucks, von neoklassizistischer Haltung wie beim Hotel Breidenbacher Hof in Düsseldorf oder seinem Beitrag im Völkerbundwettbewerb 1927 bis hin zu funktionalistischen Bauten höchster Qualität wie dem berühmten Shellhaus in Berlin oder dem Kaufhaus Michel in Elberfeld. Mit diesen Bauten erlangte Fahrenkamp auch internationale Anerkennung. Im Dritten Reich fügten sich Fahrenkamps neoklassizistische Entwürfe in hervorragender Weise in die Architekturpolitik des Regimes, wobei er überwiegend einen purifizierten Klassizismus pflegte, mit klaren Kuben und strengen Lochfassaden. Mit Bauten beteiligt und damit in der "ersten Reihe" deutscher Architekten war er bei der Neugestaltung Berlins, daneben auch mit Gebäuden und Entwürfen im Rheinland (Stadtplanung Düsseldorf; Ausstellung "Schaffendes Volk" Düsseldorf; Malerschule Kronenburg; Verwaltunsgebäude Bayerwerke, Leverkusen u.a.) Auch blieb er weiter Lehrer an der Düsseldorfer Akademie (ab 1939 als ihr Leiter). Nach 1945 war er als "Belasteter" nur noch vereinzelt tätig; nach seiner Amtsenthebung an der Akademie zog er sich aus öffentlichen Tätigkeiten zurück.

Denkmalwert

Der Wohnhausblock Bahnhofstraße 6,7,8,9/Goethestraße 2/Lessingstraße 1 in Viersen ist bedeutend für die Geschichte des Menschen als Zeugnis des Bauwesens der dreißiger Jahre, in dem sich eine typische Form des städtischen Mietwohnungsbaus jener Jahre mit städtebaulichen Ordnungsabsichten verband. Im großzügigen Wohnungszuschnitt und der durchgestalteten Fassadenoptik der Gebäude kommt ein besonderes Anspruchsniveau zum Ausdruck. Daß es sich dabei nicht um "Massenwohnungsbau" handelte, sondern um eine aus anderen Gründen veranlaßte Maßnahme, entspricht ebenfalls gängiger Praxis der Wohnungsbaupolitik unter den schwierigen Bedingungen der dreißiger Jahre (Baustoffbeschränkungen; nationalsozialistische Planungslenkung).

Der genannte Komplex ist ferner bedeutend für Viersen als Zeugnis der Stadtplanung und der Stadterweiterung des 20. Jahrhunderts, hier der Gestaltung des neuen Bahnhofumfeldes. Die Bedeutung dieser Maßnahme für die Stadt kommt auch darin zum Ausdruck, daß die Stadtverwaltung selbst diesen Bau durch einen privaten Bauherren veranlaßte und daß hierzu ein außerordentlich renommierter Architekt verpflichtet wurde.

An der Erhaltung der Wohnhausgruppe besteht ein öffentliches Interesse aus wissenschaftlichen, insbesondere architekturgeschichtlichen Gründen, da es sich um ein stilistisch zeittypisches, gestalterisch aber für die Bauaufgabe überdurchschnittlich qualitätvolles Zeugnis des Bauens der dreißiger Jahre handelt, welches durch einen der seinerzeit bedeutendsten deutschen Architekten geplant wurde. Eine architekturgeschichtliche Dissertation über Emil Fahrenkamp, in dem die Wohnhausgruppe auch Erwähnung finden wird, ist zur Zeit in Vorbereitung (durch Christoph Heuter). Die Gebäude sind ferner erhaltenswert aus städtebaulichen Gründen, als qualitätvolle und wichtige Platzwand des Bahnhofplatzes und Gegenüber des Bahnhofgebäudes von 1917.

Die Gebäude Bahnhofstraße 6,7,8,9/Goethestraße 2/Lessingstraße 1 in Viersen sind bedeutend für die Geschichte des Menschen und die Stadt Viersen. An ihrer Erhaltung besteht ein öffentliches Interesse aus wissenschaftlichen, insbesondere architekturgeschichtlichen sowie städtebaulichen Gründen. Sie sind daher ein Baudenkmal gemäß §2 Denkmalschutzgesetz NRW.