Kath. Pfarrkirche St.
Notburga in Unterrahser
Denkmalbeschreibung:
Geschichte:
1900 Gründung des Notburgavereins
1902 Bau des Notburgahauses (Entwurf: Josef Kleesattel)
1909 Gründung eines Kirchenbauvereins
1914 Entwurf für neoromanischen Kirchneubau von Josef Kleesattel
Der Krieg zwingt zur Aufgabe des Bauvorhabens
1923 Vernichtung der gesammelten Gelder durch Inflation
Wiederbelebung des Kirchenbauvereins
Einrichtung einer Notkirche im Notburgahaus
(Vereinshaus für erwerbstätige Mädchen)
1927 kurzfristige Ausschreibung für den Neubau und Entscheidung der
Jury für die sachliche, moderne Baukonzeption von Sültenfuß und
Seidel
29.06.1928 Grundsteinlegung
15.09.1929 Konsekration
1929 Seelsorgebezirk St. Notburga (bisher St. Remigius) wird selbständige
Gemeinde
1930 Bau des Pfarrhauses und der ersten Kaplanei (Planung: Freihoff)
1930/31 Fertigstellung der Zugangswege zur Kirche
1947 Planung der zweiten, der ersten angepaßten Kaplanei (H. Mießen)
1948 Erhebung zur Pfarre
1952 Bau der zweiten Kaplanei (Entwurf von Mießen, Nachzeichnungen von
P. Salm)
1955 Aufstellung der Notburgafigur
1960 Erneuerung des Kirchendaches (Architekt Limmers) und Erhöhung des
Fassadengiebels
1964 Erneuerung und Umgestaltung des Kirchenraumes gemäß
nachkonziliarer Entwicklung (H. Döhmen: Rabitz-Faltdecke, Chorrückwand)
1966 Gestaltung Kirchenvorplatz (H. Döhmen)
Allgemeines
Die Heilige St. Notburga war laut Legende ein Vorbild an Arbeitsamkeit,
treuer, opferbereiter Nächstenliebe und Frömmigkeit. Sie lebte im 9.
oder 10. Jahrhundert als Küchenmagd auf Schloss Rottenburg in Tirol und
wurde wegen Mildtätigkeit entlassen. In Tirol gilt sie als Patronin der
Dienstmägde und Bauern, die bei Geburtsnöten und Viehkrankheiten
angerufen wird. Sie wird dargestellt mit Sichel, Krug und Brot. 1923
sprach der Kölner Kardinal Schulte den Wunsch aus, die zukünftige
Kirche im Rahser möge Notburga geweiht werden, da es bis dahin noch
kein Patrozinium im Erzbistum Köln gab, zu dem Viersen bis 1931 gehörte.
Der neue Kirchenbaustil des 20. Jahrhunderts
basierte auf zwei Grundlagen, zum einen auf dem sich wandelnden
Selbstverständnis der Kirche (das seine Festlegung im II. Vatikanum
erfuhr), zum anderen auf der an Klarheit, Funktion und Zweckmäßigkeit
orientierten Architektur des Neuen Bauens, dessen Ziel Materialechtheit,
klarer konstruktiver Aufbau und die Reduktion auf übersichtliche
Bauteile waren.
Neue Materialien (Eisen, Glas, Beton und Stahlbeton) wurden nur zögernd
im Kirchenbau eingesetzt, da sie von vielen Theologen als "unwürdig"
abgelehnt oder nur für die herkömmlichen Bauformen verwendet wurden.
Zwischen den Weltkriegen dominierte die Gestaltung des Kirchenaußenbaus,
denn noch war der siedlungsbeherrschende Aspekt wichtiger als die
sinnbezogene Gestaltung des Innenraums. Die Außengestalt der Kirchen
zeigte sich als relativ einheitlich: meist blockhaft geschlossene Baukörper
mit klaren Umrisslinien, deren gliedernde Einzelformen nur sparsam
verwendet wurden, wodurch eine Steigerung der Geschlossenheit erreicht
wurde.
Seit dem Ende der zwanziger Jahre erhielten die Kirchen meist Flachdächer,
die Eingangsseite wurde als monumentale Schauseite gestaltet, was nach
1945 nicht mehr der Fall war. Die Fenster waren häufig schmal und steil
proportioniert und traten auch im profanen Bereich auf (typisches
Merkmal des Expressionismus in der Architektur der zwanziger und dreißiger
Jahre).
Am Niederrhein wurden fast ausnahmslos alle Kirchen im Außenbau aus
Ziegeln aufgebaut, Eisenbeton wurde höchstens im Innern oder als
Gliederungselement sichtbar gemacht. Die Backsteinwände waren entweder
glatt oder mit reliefartigen Vor- und Rücksprüngen einzelner Steine
und Schichten aufgelockert. Die Wiederbelebung des Backsteins wurde zu
Beginn des Jahrhunderts gefördert durch die rheinische
Heimatschutzbewegung und den Rheinischen Verein für Denkmalpflege und
Heimatschutz, da man die Widerstandsfähigkeit des Materials gegen
Industrieabgase erkannte. Des weiteren entsprach der Backstein der
damaligen Tendenz zu Schlichtheit und strenger Monumentalität.
Der Wunsch nach städtebaulicher Dominanz bewirkte nicht nur die
Betonung des Außenbaus, sondern akzentuierte die Kirche zusätzlich
durch hohe Türme (typisch war die Ein-Turm-Gestaltung), auch wenn die
Notwendigkeit von Türmen bei den Theologen umstritten war.
Beschreibung
Die Kirche St. Notburga besitzt ein langgestrecktes, rechteckiges
Mittelschiff mit auffallend niedrigen Seitenschiffen und einem flachen,
eckigen Chorabschluss mit ebenfalls eckigen Querhausapsiden. Nördlich
des Chores schließt sich ein campanileähnlicher, hoher Glockenturm an.
Der Eingang im Westen wird von einem vorgesetzten Portal mit drei
steilen Rundbögen über den Toren betont. Ost- und Westseite werden von
einem abgetreppten Giebel abgeschlossen, über dem im Westen ein großes
Kreuz gipfelt. Die Fenster des Mittelschiffes sind hoch und sehr schmal
mit einem Rundbogenabschluss; in den Seitenschiffen befinden sich gedrückte,
fast an gleichseitige Dreiecke erinnernde Spitzbogenfenster. Die
Betonung der Horizontalen fällt am gesamten Bau durch hervorgehobene
Backsteingesimse an Ecken, Fenstern und am Turm auf.
Das Erscheinungsbild der Kirche wird wesentlich
mitgeprägt durch den im Norden anschließenden, von Mauern eingefassten
Garten und Pfarrhof, an dessen Eckpunkten das Pfarrhaus und die
Kaplaneien liegen. Eine Treppenanlage führt zum höher liegenden
Kirchenvorplatz, so dass Kirche, Pfarrhof und Gemeindehäuser einen
eigenen, in sich abgeschlossenen, aber dennoch einsehbaren Bereich
bilden, der gestalterisch und inhaltlich eine Einheit bildet.
Der Innenraum, in den man durch einen äußeren
Vorraum und einen inneren Nartex gelangt, wird von dem hohen,
rechteckigen Mittelschiff beherrscht, dem sich die niedrigen
Seitenschiffe untergeordnet anschließen. Das Mittelschiff besitzt seit
dem Umbau in den sechziger Jahren eine Rabitz-Faltdecke, das nördliche
Seitenschiff (ehem. Kreuzgang) ist mit Quertonnen, das südliche mit
einer Flachdecke ausgestattet. Die geschlossene, glatte Wand des
Mittelschiffes wird zu den Seitenschiffen von je fünf gedrückten
Parabelbögen unterbrochen, zum Narthex von drei Bögen. Oberhalb des
Narthex, zu dessen beiden Seiten Kapellen liegen, befindet sich die
Orgelempore. Die dem Chorraum angeschlossenen Querhäuser nehmen die Höhe
des Mittelschiffes auf. Die flache Chorrückwand wurde von H.J. Kaiser
mit geschlämmten Schwemmsteinen als Halbrelief gestaltet.
Die Fenster des nördlichen Seitenschiffes sind
noch in ihrer ursprünglichen Gestalt erhalten (Marianne Katzgrau). Die
Obergadenfenster mit der Symbolisierung des apostolischen
Glaubensbekenntnisses (Josef Höttges) wurden nach dem Krieg eingesetzt.
Die Kirche St. Notburga bildet zusammen mit dem
Pfarrhaus und den Kaplaneien eine nahezu unveränderte, in sich
geschlossene, harmonische Einheit, die ein Zentrum innerhalb des in den
zwanziger Jahren entstandenen Stadtteils Rahser darstellt. Sie ist ein
typisches Beispiel für die Formensprache und Materialwahl des modernen
Kirchenbaus des frühen 20. Jahrhunderts.
Aus wissenschaftlichen, insbesondere
architekturgeschichtlichen und städtebaulichen Gründen liegen die
Erhaltung und die sinnvolle Nutzung der Kirche gemäß § 2
Denkmalschutzgesetz im öffentlichen Interesse.