Denkmale in der Stadt Viersen |
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Lfd. - Nr. 366 |
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Standort: Antwerpener Platz 1, D 41748 Viersen GPS: 51o 15' 29,8" N 06o 24' 16,5" O Zuständigkeit: Privat Baujahr: 1810 Tag der Eintragung als Denkmal 25. Februar 1998 Quellenhinweis: Beschreibung der Denkmalbehörde
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Ehem. Brückenwärterhaus am Nordkanal in Hülsdonk
Denkmalbeschreibung: Das Brückenwärterhaus ist ein
eingeschossiger Backsteinbau auf hohem, durch ein Gesims aus Basaltlava
abgeschlossenen Sockel; über einem hohen Drempel bedeckt ein Satteldach
den Bau. An den Giebeln treten breite Kamine von querrechteckigem
Grundriss aus. Die Traufseiten haben jeweils drei Achsen: zur Stadt hin
drei Rundbogenfenster mit Sohlbänken aus Werkstein (anscheinend
Sandstein oder Mergel); zur ehemaligen Kanalseite hin in der Mittelachse
eine Rundbogentür - das Bogenfeld wurde in jüngerer Zeit zugemauert -,
seitlich rechteckige Fenster mit Stürzen und Sohlbänken aus Werkstein.
Ein weiteres Fenster dieser Art befindet sich seitlich versetzt im nördlichen
Giebel; das Giebeldreieck durchbrechen zwei weitere Rechteckfenster ohne
Stürze, die anscheinend nachträglich eingebrochen wurden. Dachdeckung
besteht aus Hohlfalzziegeln, die Ortgänge sind mit Windbrettern
versehen. Über der Eingangstür sitzt ein kleines Dachhäuschen mit
Walmdach, das im Vergleich mit den anderen bekannten Wärterhäusern
ursprünglich sein dürfte. Offensichtliche spätere Veränderungen sind
der Verputz des Südgiebels und die heutige hohe Freitreppe. Die
sogenannte "Krampfader-Verfugung", die heute den Bau überzieht,
stammt sicher erst aus den 20er Fahren dieses Jahrhunderts und steht
vermutlich mit der Errichtung des benachbarten Pförtnerhauses im
Zusammenhang. Ferner zeigt das Mauerwerk Flickungen; die Süd-West-Ecke
ist möglicherweise einmal erneuert worden. Im Inneren besitzt das Hauptgeschoss einen Mittelflur. Der Bereich südlich
des Flurs ist in zwei Räume unterteilt; auf der nördlichen Seite
befindet sich ein einziges Zimmer, das in der Mitte der Giebelwand auf
einem Backsteinsockel einen ehemals offenen Kamin aus geraden
Werksteinen mit Scharrierung besitzt. Sein sehr massiver Unterbau im
Keller zeigt, dass es sich bei ihm um eine alte Anlage und nicht um
einen späteren Einbau handelt. Die Treppensituation ist den
Detailformen des Geländers nach wohl um 1900 verändert worden. Der
Abgang in den Keller durchbricht unten eine alte Wand; daneben ist die
vermauerte Öffnung des ursprünglichen Kellerabgangs zu erkennen. Die
Kellerdecken sind vermutlich zur gleichen Zeit in Beton bzw.
Bimssteinkappen zwischen Doppel-T-Trägern erneuert worden. Der
Grundriss scheint dabei aber nicht wesentlich verändert worden zu sein.
Auch die Grundrisseinteilung im Obergeschoss scheint alt zu sein, die
Art der Dielen ebenso wie der Türen deutet aber ebenfalls auf einen
Umbau um 1900 hin. Der Dachstuhl entspricht - soweit er derzeit zu sehen
ist - den überlieferten Konstruktionen der Kanalhäuser. In der Folge der französischen Revolution
und der Revolutionskriege besetzten die Franzosen 1794 die Lande links
des Rheins und vereinigten sie 1797 mit Frankreich, bei dem sie bis 1814
blieben. Der linke Niederrhein gehörte zum Departement de la Roer mit
der Hauptstadt Aachen. Zu den wenigen baulichen Zeugnissen dieser
"Franzosenzeit" gehören die Reste des Nordkanals -
"Grand Canal du Nord" -, dessen Bau bereits 1797 angeregt
worden war und der den Rhein mit der Maas und Antwerpen verbinden und
den Handel von den holländischen Häfen abziehen sollte. Nach mehrjährigen
Voruntersuchungen zur günstigsten Trassierung begannen die Arbeiten im
Jahre 1808. Nachdem die Niederlande 1810 Bestandteil Frankreichs
geworden waren, entfiel ein wesentlicher Grund für den Bau des Kanals,
der 1811 eingestellt wurde. Fertig wurden unter anderem mehrere Kanalwärterhäuser,
von denen bislang zwei bekannt waren: ein eingeschossiger niedriger Bau
mit Walmdach in Neuss, Kölner Str. 1, und ein zweigeschossiges Haus mit
Satteldach in Straelen-Niederdorf, Schlousweg 5. Ein weiteres Brückenwärterhaus
südlich von Willich-Neersen an der Straße von Krefeld nach Gladbach
ist anscheinend erst vor wenigen Jahren in Unkenntnis seiner Bedeutung
abgebrochen worden. Zu diesen bisher in der einschlägigen Literatur
bekannten Häusern (v.a. Hans Scheller, Der Nordkanal zwischen Neuss und
Venloer [= Schriftenreihe des Stadtarchivs Neuss, Band 7]. Neuss 1980;
ferner Gudrun Loewe, Kreis Kempen‑Krefeld [= Archäologische Funde
und Denkmäler des Rheinlandes, Band 3]. Düsseldorf 1971, bes. S.
83‑88) kommt nun das Viersener Brückenwärterhaus, das als
einziges noch das ursprünglich beabsichtigte Erscheinungsbild eines
Bachsteinbaus zeigt. Darüber hinaus bezeugt das Haus, dass die Kanalhäuser
weniger einheitlich waren als gedacht, wobei aber die Prinzipien von
Abmessungen, Grundriss und Gestaltung gleich waren. Das Gebäude ist bedeutend für die
Geschichte des Menschen, weil es eines der wenigen baulichen Dokumente
der "Franzosenzeit" darstellt. Trotz zahlreicher Härten, die
diese Zeit - insbesondere in den ersten Jahren - für die Bevölkerung
mit sich brachte und obwohl sie insgesamt nur zwanzig Jahre dauerte,
legte sie einen wesentlichen Grund für eine moderne Entwicklung der
Rheinlande. Insbesondere ist hier die Einführung eines einheitlichen
Rechtssystems zu nennen, das auch durch die nachfolgende preußische
Verwaltung nicht aufgehoben wurde. Für die Erhaltung und Nutzung liegen künstlerische
Gründe vor, weil das Gebäude ein trotz einiger Veränderungen
wohlerhaltenes Beispiel der sog. "Revolutionsarchitektur"
darstellt, eines Architekturstils, der wesentlich durch die Verwendung
stereometrischer Grundformen gekennzeichnet wird. Für die Erhaltung und Nutzung liegen ferner
wissenschaftliche Gründe vor, weil gerade der Vergleich des Viersener
Hauses mit den beiden anderen bekannten Kanalwärterhäusern zeigt,
welche Defizite noch in der Erforschung dieser Epoche und ihrer
Hinterlassenschaften bestehen.
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