Denkmale in der Stadt Viersen |
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Lfd. - Nr. 363 |
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Standort: Eindhovener Straße 37 - 41, D 41751 Viersen - Dülken GPS: 51o 15' 29,8" N 06o 20' 06,2" O Zuständigkeit: Privat Baujahr: Anfang 1900 Tag der Eintragung als Denkmal 26. Februar 1997 Quellenhinweis: Beschreibung der Denkmalbehörde
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Ehem. Kaffeerösterei in Dülken
Denkmalbeschreibung: Die letzten Jahre des 19. Jahrhunderts brachten
auf dem Sektor des Kolonialwarenhandels mit Genussmitteln einen
Umschwung der Käufergewohnheiten mit sich: war der Konsument bislang
gewohnt gewesen, importierte Kaffeebohnen in grünem Zustand zu erwerben
und sie bei Bedarf frisch zu rösten, so setzte sich gegen etwa 1880
mehr und mehr der Verkauf bereits gerösteter Kaffeebohnen durch. Vom Röstprozess
hängt in hohem Maße die Geschmacksqualität der Kaffeebohnen ab, eine
exakte Überwachung des Röstprozesses auf Dauer, Gleichmäßigkeit der
Temperatur und des Röstvorganges hin war in der häuslichen Küche
schwerer möglich, als in gewerblich betriebenen Röstereien. Ab 1880
z.B. betrieb der Webersohn Josef Kaiser im väterlichen
Kolonialwarenladen einen kleinen Röstbetrieb, der mit der Gründung
einer ersten Geschäftsfiliale 1885 in Duisburg expandierte. Geschäfte
in Essen und Bochum folgten in der begründeten Hoffnung, dass die gut
verdienenden Arbeiter der Montanindustrie imstande wären, sich
importierten Bohnenkaffee zu leisten. Die "Dampf-Kaffee-Rösterei
von Hermann Kaiser" versorgte 1897 bereits 100 Filialen, 1898 sogar
250, Zweigröstereien für Kaffee in Berlin und Heilbronn verarbeiteten
nun neben Viersen die in eigener Regie importierten Kaffeebohnen, ab
1899 hieß man nur noch 'Kaiser's Kaffeegeschäft'. Als zweiter begann dann in Dülken der Bruder Josef Kaisers, Hermann Kaiser und Jakob Tummer aus Viersen Anfang 1900 mit dem Betriebe einer Kaffeerösterei, und zwar ebenfalls an der Bahnlinie Venlo-Viersen und der Süchtelner Straße. Lager- und Röstereigebäude, Versand- und Sortiergebäude sowie ein Kessel- und Maschinenhaus entstanden auf u-förmigem Grundriss pa-rallel der Bahnlinie. Dass der Betrieb auch wirtschaftlich mit dem Unternehmen Josef Kaisers verzahnt war, geht aus folgender Bemerkung hervor: "Dieser Produktionszweig wurde später noch beträchtlich ausgebaut, besonders seit der Übernahme der Kaffeerösterei Hermann Kaiser u. Co. in Dülken, die sich in Verwandtenbesitz befand, aber durch Lieferungsverträge mit dem Stammunternehmen verbunden war" (W. Peiner, Zur Vollendung des 75. Lebensjahres von Josef Kaiser, Kommerzienrat, Düsseldorf 1937, Seite 52). Beide Inhaber der Dülkener Firma starben jedoch nach wenigen Betriebsjahren und zum 1.6.1906 ging die Rösterei an Kaiser's Kaffeegeschäft, Viersen über. Diese wandelte die Rösterei in eine Malzkaffeefabrik um, die sie bis etwa 1944 betrieb. Ab Ende des Krieges diente der Komplex zu Lagerzwecken. Er war seit 1906 im wesentlichen nur durch den Bau eines Mälzereikellers und des markanten, bis zur Traufe ca. 21 m hohen Siloturmes vergrößert worden, der an den Winkel von Lager- und Röstereigebäude gesetzt wurde. Beschreibung Architektonisch wie städtebaulich von Belang ist dann der ab 1910 errichtete, etwa 27 m hohe Siloturm. Über einer ca. 3,50 m hohen Backstein-Sockelzone gliedern drei schlanke Putzfelder zwischen Flachlisenen in Backstein den Turmschaft, nach oben geschlossen durch Segmentbogen. Diese nach allen vier Seiten gleiche Ansicht wird geprägt durch ein geputztes horizontal umlaufendes Band mit der Aufschrift "Kaiser's Kaffee-Geschäft" nach Osten und Westen. Eine Kombination aus Pyramidenstumpf- und Zeltdach schließt den Turm nach oben ab, ein eigenes, steileres Dach besitzt der Aufzugsmechanismus für den Elevatorbetrieb im Silo-Inneren. Der Bereich oberhalb der Silobehälter ist von je drei niedrigen Stichbogenfenstern auf jeder Turmseite belichtet. Gekoppelte schmale Rechteckfenster markieren an der Südostecke des Turmes den Verlauf des Treppenhauses. Bewertung 1. Künstlerische Gründe liegen in der Erscheinungsform der Anlage als Industriearchitektur zweier Epochen: Die Bauten der ersten Generation ab 1900 exemplifizieren den Werkbau der klassischen Industrialisierungsphase in ihrer Verwendung des einfachen, durch klare Proportionen wirkenden typischen Rundbogenstils in Backstein mit Simsen und Lisenen. Auch die Innenräume, einschließlich des Kellers des Lager- und Sortiergebäudes sind von funktional überzeugender, ohne weiteres neu nutzbaren Gestalt. Den Schritt zum Neuen Bauen im Industriebereich belegt dann der 1910 entstandene Siloturm, der ohne jeden Rückgriff auf eine Stilarchitektur die bauliche Aufgabe der Beherbergung vertikaler Silokammern auch nach außen hin funktional verdeutlicht. Sockel-, Silo- und Arbeitszone sind innen wie außen ablesbar, das leicht überkragende Dach bildet einen einfachen aber harmonisch wirkenden Abschluss, auch das Dach des Elevators ordnet sich in seiner Wiederholung des Dachumrisses der Gesamtform unter. In der Verwendung einzelner Architekturelemente (Putzband) als Reklameträger wird ebenfalls die Entwicklung funktionaler Architektur deutlich. 2. Wissenschaftliche Gründe für den Erhalt liegen insofern vor, als der Baukomplex für den Übergang von häuslicher Selbstversorgung durch zentrale technische Leistungen steht. Die Konjunktur der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts ermöglichte steigenden Import von Genussmitteln, deren massenhafte Verwendung führte zur Zentralisierung ihrer Verarbeitungsstufen und dafür bildet die Dülkener Anlage ein gutes Beispiel. 3. Die städtebaulichen Erhaltungsgründe liegen dem Betrachter ohne weiteres auf der Hand: An markanter Stelle im Stadtbild an der Kreuzung der Bahnlinie Venlo-Viersen und der heutigen Eindhovener Straße gelegen, bietet der Siloturm mit seiner harmonischen Dachgestalt und ausgewogenen Vertikalgliederung einen deutlichen Identifikationspunkt für den Nordwesten Dülkens. Abschließend sei auf die Bedeutung des Komplexes für die Gesamtstadt Viersen hingewiesen: Diese Stadt, die lange in so gravierender Weise durch die Wirtschaftstätigkeit eines Unternehmens geprägt worden ist, besitzt heute nahezu keine Spur mehr von der ursprünglichen, wirtschaftlich-technischen Präsenz dieser Unternehmung im Stadtbild. Bauten wie die Villa Kaiser und das von Kaiser gestiftete Stadtbad von 1906 müssen nahezu beziehungslos in einem Stadtgefüge wirken, das keinerlei Belege mehr aufweist für die einst massive Präsenz der Bauten und Anlagen, mit denen der Kaiser-Konzern die wirtschaftliche Macht errang, die ihn erst zu Bauten und Stiftungen wie den oben erwähnten befähigte. Wenn daher in der 1900 gegründeten Unternehmung von Josef Kaisers Bruder Heinrich in Dülken eine solche Anlage, die noch dazu von Anfang an in direkter gesellschaftlicher und funktionaler Beziehung zur Unternehmung Kaiser gestanden hat, überlebt hat, so sollte ihr Erhalt für die ehem. "Kaiserstadt" Viersen ein dringliches Anliegen sein, den die leicht erkennbare Neunutzungsmöglichkeit der Gebäude förderlich entgegenkommt.
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