Denkmale in der Stadt Viersen

Lfd. - Nr. 236

 

Standort:

Burgstraße 6,  D 41747 Viersen

GPS:

5115' 21,9" N   06o 23' 44,1" O

Zuständigkeit:

Privat

Baujahr:

1951

Tag der Eintragung als Denkmal

30. August 1990

Quellenhinweis:

Beschreibung der Denkmalbehörde

 

 

 

 

Wohnhaus in Viersen

        

Denkmalbeschreibung:

Die Planungen für das Einfamilienhaus gehen auf das Jahr 1951 zurück. Der Bauherr Walter Kaiser ("Kaisers Kaffee") plante nach der Beschlagnahmung seines Hauses Burgstraße 4 durch die Besatzungsbehörden einen Neubau in kleineren Dimensionen, bei dem bewährte Einzelformen und Inneneinrichtungen des "Altbaus" z.T. wieder aufgenommen werden sollten. Beide Häuser zeichneten sich in ihrer Zeit durch für eine Kleinstadt ungewöhnliche moderne Bauformen aus. Das Haus liegt am Rand der Innenstadt gegenüber einer gestalteten Parkanlage. Das ganze Areal gehörte früher zum Goeterspark des Viersener Fabrikanten Goeters, nach dem die die Burgstraße kreuzende Goeterstraße benannt ist. Reste der Parkanlage lassen sich in Gestalt von altem Baumbestand und einer Grotte aus Basaltlava aus der Zeit um 1900 in dem zu dem Objekt Burgstraße 6 zugehörigen großen Garten noch ablesen. Die Einbeziehung der Natur/des Gartens ist Bestandteil der Planung des Wohnhauses, wie später noch erläutert wird.

Beschreibung

Das Haus ist ein zweigeschossiger langgestreckter Flachbau mit ganz leicht gesatteltem Flachdach. Der Bau ist voll unterkellert, zugehörig eine Garage als Annex an der rechten Seite des Hauses. Die Straßenfassade zeichnet sich durch eine glatte Front aus, die zu etwa 3/4 in eine Wandfläche aus Glasbausteinen in hochrechteckigem Eisenbetonraster aufgelöst ist. Der Eingang befindet sich als eingeschnittene Nische in der linken Haushälfte. Die drei Fensteröffnungen im Obergeschoss sind von querrechteckigen Putzflächen umgeben, ebenso der Lüftungsschlitz im Erdgeschoss. Die Brandmauern sind in roter Ziegelausführung lisenenartig vorspringend, wodurch eine interessante kontrastierende Farbkomponente ins Spiel kommt. Die aus dem Industrie- und Zweckbau herkommende Glasbausteinwand lässt den Betrachter zunächst über die Nutzung des Gebäudes im Unklaren. Dahinter verbirgt sich in der Abfolge von links nach rechts: Garderobe, Diele mit Treppenhaus und das Wohnzimmer (aus dem Raster hervorgehoben) im Erdgeschoss und Schlafzimmer, obere Diele und ein weiteres Schlafzimmer (jeweils durch Fenster markiert) im Obergeschoss.

Ganz anders stellt sich die Rückseite des Hauses dar. Im Gegensatz zur abweisend wirkenden und geschlossenen Straßenfront öffnet sich hier das Haus zum Garten bis hin zur völligen Auflösung der Wand in Glas im Esszimmer und Wohnbereich. Die Fenster in Küche und Obergeschoss entsprechen denen der Fassade und sind als Schiebe-/Drehfenster mit Holzrahmen gebildet. Im Obergeschoss befindet sich über der Terrasse ein Balkon, der vom ehem. Tochterzimmer und Elternbad aus zugänglich ist.

Die Innenaufteilung ist äußerst funktional vom Keller bis zum Obergeschoss. Im Erdgeschoss sind alle Zimmer durch Türen miteinander verbunden. Das Treppenhaus, durch das gedämpfte Licht der Glasbausteine erhellt, atmet eine großzügige Leichtigkeit. Ein durchgehendes dünnes Stahlrohrgitter verbindet Erd- und Obergeschoss. Die einläufige freischwingende Betontreppe ist mit Holztrittstufen belegt, die Handläufe sind als Messingrohre gestaltet, zur Glaswand hin mit einem rahmenlosen Drahtglas versehen. Der nach rechts anschließende, die ganze Hausbreite einnehmende Wohnraum erhält von der Straßenseite her diffuses Licht durch die Glasbausteinwand, während er zur Gartenseite hin über Eck ganz in Glas aufgelöst ist. Mit dem Esszimmer ist der Wohnraum durch eine große Flügeltür verbunden. Dieses schließt zur Küche hin ein die ganze Wandfläche einnehmender, beidseitiger Einbauschrank mit Durchreichefächern, im Esszimmer in Wurzelahorn ausgeführt. Die interessanten Kontraste zwischen geschlossenen und offenen Wandflächen sowie beidseitig benutzbarer Wandschränke setzen sich im ganzen Haus fort, teilweise durch Spiegelflächen erweitert. Zur einheitlichen großzügigen Raumwirkung trägt der durchgehende Fußboden aus Solnhofer Platten bei. Mit klaren, einfachen und funktionalen Formen und Mitteln ist hier ein Höchstmaß an Eleganz und Behaglichkeit erreicht.

Das Haus zeichnet sich außen wie innen durch weitgehenden Originalzustand aus bis hin zur Deckenstrahlheizung mit Originalarmaturen, kippbaren Badezimmerspiegeln, Badarmaturen, Türklinken, Fensterverschlüssen und teilweise noch originalem Mobiliar etc.

Die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale für das Objekt nach § 2 DSchG NW liegen vor.

Begründung:

Das Gebäude ist bedeutend für

- die Geschichte des Menschen, da es den Typus des individuellen Einfamilienhauses der frühen Nachkriegszeit vertritt und als Werk eines bedeutenden Architekten gilt (Haus der Glasindustrie, Düsseldorf; Textilingenieurschule Krefeld; Studienhaus Düsseldorf; Schauspielhaus Düsseldorf; zahlreiche Wohnhäuser der Vor- und Nachkriegszeit).

- die Stadt Viersen, als Wohnhaus einer die Wirtschaft der Stadt prägenden Unternehmerpersönlichkeit.

- Für die Erhaltung und Nutzung liegen künstlerische und architekturgeschichtliche Gründe vor.

Das Haus, von der rational-kubischen Architektur des "Neuen Bauens" der 20er und 30er Jahre beeinflusst, zeigt einen künstlerisch ausgereiften Entwurf, der mit vergleichsweise sparsamen Mitteln einen harmonisch niveauvollen Baukörper entwickelt. Im Bereich des Einfamilienhauses zeigen sich in der Nachkriegszeit auch bei den in der Bauhaus-Tradition stehenden kubischen Flachbauten sehr individuelle Lösungen, wofür die Fassade des Hauses Burgstraße 6 mit ihrer Assoziation von Zweckbauarchitektur in ihrer Einzigartigkeit beredtes Zeugnis ablegt. Hervorzuheben ist der Kontrast von der zur Straße/Außenwelt fast abweisend geschlossenen Fassade und der Öffnung des Hauses zum privaten Gartenbereich hin. An der Fassade verwendet Pfau den nach dem Krieg wiederentdeckten Baustoff Glas in Form der Glasbausteine, die er als Wandgestaltungselement bereits im Haus der Glasindustrie in flächendeckender Weise angewandt hat. Damit greift er zurück auf neue Wege der Glasanwendung im Wohnhausbau, wie sie durch Werkbund und Bauhaus bahnbrechend bereits vor dem Krieg propagiert, aber zur Zeit des Nationalsozialismus als kulturbolschewistisch in den Hintergrund gedrängt wurden. Die in dieser Form flächendeckende Anwendung der Glasbausteine zur Fassadengestaltung im Einfamilienhaus ist ungewöhnlich. Mit der bis zur völligen Wandauflösung reichenden Öffnung zum Garten erfährt der Baukörper eine optische und funktionelle Erweiterung. Die Durchdringung von Wohn- und Raumkultur allgemein, die hier verwirklicht ist, ist nicht denkbar ohne japanische und schwedische Einflüsse, die zwar nicht formal, aber ideell hier mit einfließen. Charakteristisch ist die Einheit von Haus und Garten, die sich bei diesem Beispiel in einer für die Zeit typischen Gerichtetheit zeigt, d.h. vom geschlossenen Straßenraum zum offenen Gartenbereich. Diese Tendenz im Einfamilienhaus, gepaart mit asymmetrischer Gestaltung kommt dem Bedürfnis der Zeit nach "Offenheit, Zartheit, Durchsichtigkeit, Helle, nicht Dunkelheit, Freiheit, nicht bange Behütung" (H.  Schwippert, Glück und Glas, in: Architektur und Wohnform 61, 1952/53, S. 3*) nach. So ist der Garten (einschließlich Grotte) unverzichtbarer Bestandteil des Denkmals.

Zusammenfassend ist für die künstlerische und architekturgeschichtliche Bedeutung des Objektes festzuhalten:

1. Bauhaus-Nachfolge

2. die verschiedene künstlerische Verwendung des Baustoffes Glas als Beispiel für neue Formen im Wohnhausbau

3. Einbeziehung der Natur in die Architektur

4. Werk eines bedeutenden Architekten.

Hinzu kommen ortsgeschichtliche Gründe für die Erhaltung und Nutzung als Wohnhaus des für die Stadt Viersen bedeutenden Unternehmers Kaiser.