Denkmale in der Stadt Viersen

Lfd. - Nr. 167

 

Standort:

Viersener Straße 62, D 41751 Viersen - Dülken

GPS:

5115' 12,6" N   06o 20' 23,4" O

Zuständigkeit:

Privat

Baujahr:

1883 / 1884

Tag der Eintragung als Denkmal

14. September 1988

Quellenhinweis:

Beschreibung der Denkmalbehörde

 

 

 

 

Villa in Dülken

Denkmalbeschreibung:

Die Villa Viersener Straße 62 in Dülken wird 1883/84 als Wohnhaus für den Seidenfabrikanten Benjamin Lucas errichtet. Im Adressbuch 1879 ist als seine Adresse noch die Marktstraße 11 angegeben. Später ist das Haus vor allem als Wohnsitz der bedeutenden Unternehmerfamilie Tonnar bekannt.

Das von der Straße hinter einer Einfriedung etwas zurück liegende, frei stehende Gebäude erhebt sich zweigeschossig mit Mezzanin und flachem Walmdach über einem zweiflügeligen Grundriss. In der Ansicht ragt der linke Flügel mit seiner Schmalseite als Risalit zu zwei Achsen hervor. Ein mit fünf seiner acht Seiten frei stehender, dreigeschossig überhöhter Eckturm mit verschieferter Dachhaube bildet rechts ein optisches Gegengewicht. Zwischen Risalit und Turm wirkt der dreiachsige Querflügel eingespannt. In den durch Risalit und Querflügel gebildeten Winkel ist der über Stufen erhöht liegende Hauseingang platziert.
Nach hinten bilden die beiden Flügel eine geschützte Terrassensituation aus, die durch Gartenhäuschen aus Fachwerk (eines heute beseitigt) ergänzt wird.

Sockel-, Geschoss- und Kranzgesims verleihen der Fassade eine horizontale Lagerung, zu der die Bänderung des Erdgeschosses (am Turm über alle Geschosse) zusätzlich beiträgt. Auffallend sind dabei die gesimsbegleitenden Friese: zwischen Erd- und Obergeschoss ein Wasserwogenband ("laufender Hund"), unter der Traufe des Risalites Blütenmotive. Der seitliche Risalit ist mit gequaderten Ecklisenen konturiert, die in kapitellähnlichen, mit Festons und weiteren Blüten dekorierten Endstücken als Teil des Trauffrieses enden. Auch betonen hier mit Blüten und Tiermotiven ornamentierte Brüstungsfelder sowie Dreicksverdachungen die Obergeschossfenster, über denen zudem die kleinen Mezzanin-Doppelfenster der anschließenden, zurückliegenden Fensterachsen fehlen. Ansonsten sind die hochtrechteckigen Fenster mit T-Teilung im Erdgeschoss ohne aufwändige Rahmung in die Wand eingeschnitten, im Obergeschoss sind Sohlbank und gerades Gebälk akzentuiert.

Der Turm mit seinen schlanken Fenstern ist insgesamt noch kleinteiliger gestaltet, mit u.a. durchgehender Bänderung, zusätzlichen Sohlbankgesimsbändern, kleinen halbrund überfangenen Löwenköpfchen über den Obergeschossfenstern sowie Lambrequins an den obersten Fenstern. Das Dach belichtet ein Ochsenauge.

Seitlich neben den Hauseingang ist eine ädikulagerahmte Nische mit gesprengtem Dreiecksgiebel über Rundbogen angebracht. Der Eingang selbst besitzt noch die ursprüngliche zweiflügelige Haustür mit Oberlicht, welche u.a. in kleinerem Format das Sprenggiebelmotiv der Nischenarchitektur wiederholt.

Im Inneren des Hauses sind das Grundrissprinzip und vor allem zahlreiche hochwertige Ausstattungselemente der Bauzeit erhalten. Man betritt zunächst einen Eingangsflur, der gerade nach hinten durchläuft, wo sich die Treppe, gerade zweiläufig mit Wendepodest, mit volutenförmig geschwungenem Anfänger aus Holz, befindet. Der Natursteinplattenbelag des Flures entstammt einer Neugestaltung wahrscheinlich der Nachkriegszeit, die Materialqualität entspricht dabei aber durchaus dem gehobenen Ambiente des Hauses. Das gleiche gilt im übrigen für die Deckengestaltung im Zimmer rechts des Flures mit einer umlaufenden indirekten Beleuchtung, ein typisches und qualitätvolles Element dieser Zeit.

Treppenhaus und Flur sind durch einen aus Pilastern gebildeten Durchgang voneinander abgesetzt. An der Decke des Flures befindet sich, von stuckierten Kehlprofilen und Bändern gerahmt und eine Mittelrosette aussparend eine Groteskenmalerei.

Alte Rahmenfüllungstüren, teilweise zweiflügelig, sind erhalten und führen links und rechts des Flures in die Zimmer. Der Wohnraum links des Eingangsflures präsentiert mit seiner wandfesten Ausstattung und repräsentativem, möglicherweise ebenfalls der Bauzeit entstammenden Mobiliar ein eindrucksvolles historisches Raumbild. Eine holzfarbene Stuckdecke mit Mittelrosette und kasettenteilender Bänderung überfängt den Raum. Die einzelnen Felder enthalten teilweise wieder groteskenähnliche Füllmotive, die Kehlen sind mit reichem Blattwerk besetzt. In der Mittelrosette ist ein Hängeleuchter angebracht. Optische Dominante des Raumes ist ein stattlicher Zierschrank in Neorenaissanceformen, dessen Alter augenscheinlich dem des Hauses entsprechen könnte. Sein mehrzoniger Aufbau mit Vor- und Rücksprüngen, Gesimsen, gedrehten Säulchen, Farbwechsel des Holzes und der Intarsien, Glasfenstern mit kleinteiliger, ornamentaler Stegstruktur sowie einem zentralen volkstümlichen Gemälde und begleitenden, in Nischen eingestellten Figürchen (Ton?) eines Knaben und eines Mädchens in der oberen Zone verleiht ihm ein überaus reiches Erscheinungsbild. Schräg gegenüber befindet sich in der inneren Raumecke des Zimmers eine zeitgenössische Kaminverkleidung. In den anderen Wohnräumen sind weitere Stuckdecken vorhanden, zum Teil mit gemalten, umlaufenden Bordüren. Ebenfalls noch originale Raumdekoration enthält das erdgeschossige Turmzimmer. Seine sechseckige Decke ist mit Kehlprofilen und Mittelrosette stuckiert, die drei schmalen, einmal horizontal geteilten Fenster sind farbig bleiverglast, das mittlere zeigt zudem das Wappen Dülkens.

Zur vorbeiführenden Viersener Straße schließt eine Mauerbrüstung mit Pfeilern und ornamental gestaltetem Metallgitter das Gartengrundstück mit seinem teilweise alten Baumbestand ab. Die frei stehende Villa samt Garten und Einfriedung ist somit insgesamt auch von straßenraumprägender Wirkung und trägt zum noch erkennbaren historischen Gesamtcharakter der Straße bei. An ihr, der ehemaligen Viersen-Kaldenkirchener Landstraße, siedelten sich im Zuge des Stadtwachstums etwa ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts repräsentative Villen und Wohngebäude sowie wichtige öffentliche Gebäude und Gewerbebetriebe an, von denen eine nennenswerte Zahl, z.B. die ebenfalls unter Denkmalschutz stehenden Wohngebäude Viersener Straße 28, 30, 33, 53/55, 76, erhalten sind.

Als stattliche Villa in prominenter Lage und ehemals Wohnsitz der Unternehmerfamilie Tonnar ist das Gebäude Viersener Straße 62 in Dülken bedeutend für Viersen. Auf Grund des sehr anschaulichen, auch zahlreiche originale Ausstattungselemente umfassenden Erhaltungszustandes besteht an der Erhaltung und Nutzung aus wissenschaftlichen, insbesondere architekturgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse. Im Zusammenhang der anderen an der Viersener Straße erhaltenen historischen, z.T. repräsentativen Gebäude treten städtebauliche bzw. stadtentwicklungsgeschichtliche Gründe hinzu. Es handelt sich daher gemäß § 2 (1) Denkmalschutzgesetz um ein Baudenkmal.