Denkmale in der Gemeinde Schwalmtal

Lfd.-Nr. 132

 

Standort:

Ungerather Straße 29, D - 41366 Schwalmtal  -  Waldniel

GPS:

5112' 35,1" N   06o 16' 22,4" O

Zuständigkeit:

Privat

Baujahr:

1. Hälfte des 14. Jahrhunderts, 1495

Tag der Eintragung als Denkmal

1. Juni 1993

Quellenhinweis:

Beschreibung der Denkmalbehörde

 

 

 

 

Nebengebäude eines Gutshofes in Waldniel

 

 

 

Denkmalbeschreibung:

Bestandteile des Gutshofes bei Haus Clee sind die baulichen Anlagen Ungerather Straße 17-21, 27 und 29, sie bilden ein einheitliches Baudenkmal (Ensemble).

Nach späterer Überlieferung wurde Haus Clee in der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts gegründet. Die erste sichere Erwähnung erfolgte anläßlich der Belehnung des Kornelius von Loevenich im Jahre 1495. Nach mehrfachem Besitzerwechsel war der letzte adelige Eigentümer Karl Ludwig von Roth; seine Tochter Maria Anna Berta heiratete den Barmer Kaufmann Franz Wilhelm Eduard Rosbach.

Beider Sohn Georg Bartholomäus Eduard verkaufte Haus Clee 1908 an den aus Barmen gebürtigen Fabrikanten Heinrich Ferdinand Bartels. Von diesem erwarb 1911 Kommerzienrat Josef Kaiser aus Viersen, der Gründer von "Kaisers-Kaffee-Geschäft", den Besitz.

An Stelle des im Jahre 1762 grundlegend erneuerten alten Hauses Clee ließ F.W.E. Rosbach 1870 - 1874 einen vollständigen Neubau errichten. Herrenhaus, Umfriedung, Gärtnerei und Wasserturm entstanden nach Plänen aus dem Büro des für den Historismus bedeutenden Architekten Edwin Oppler. Man nimmt an, dass zu dieser Zeit auch der Park angelegt wurde; jedoch bedarf es hier noch weiterer Forschungen. Auf bis dahin noch unbebautem Gelände entstand gleichzeitig mit dem Herrenhaus nach Plänen eines anderen, bislang unbekannten Architekten, der Gutshof. Das Rosbachsche Herrenhaus wich 1936/1937 dem noch heute bestehenden Landhaus, das im Stil seiner Entstehungszeit die Geschichte von Haus Clee fortschreibt.

Das Nebengebäude Ungerather Str. 29 ist in unmittelbarem Zusammenhang mit der im wesentlichen einheitlich gestalteten Gutshofanlage zu sehen. In Material und Stil entspricht es dem Rest der Anlage, welches sich mit Abstand einer Torwegbreite anschließt. Der langgestreckte Baukörper parallel zur Ungerather Straße erscheint in der Ansicht als zweigeteilt. Im wesentlichen Teil ist der in drei Fensterachsen zweigeschossige Wohnbau als Kopfbau gleicher Breite und Trauf- wie Firsthöhe mit dem östlichen in neun durch Lisenen betonten Achsen, in voller Höhe eingeschossige Langbau verbunden. Der zur Straße dreiachsige Wohnbau mit vorgelegtem gemauertem Konsolfries enthält sich weiterer Betonung durch architektonischen Zierrat, da sich sonst keine Harmonie mit dem sich anschließenden Langbau ergeben hätte. Der Langbau, ein neunachsiger, hoch eingeschossiger Satteldachbau nimmt in der symmetrischen Fassadengliederung der Längsseite Bezug zur Straße, der er eine ausgesprochene Schauseite zuwendet. Die Achsen eins und zwei, vier bis sechs und acht und neun weisen hohe, flach segmentbogig abgeschlossene Fensteröffnungen auf, die Achsen drei und fünf sind blindvermauert. So ergibt sich eine symmetrische Achsenbetonung mit einer Dreiergruppe in der Mitte.

Aufwendiger als bei den anderen Wirtschaftsgebäuden des Gutshofes ist der architektonische Zierrat gestaltet, der zwar auch Lisenen und gemauerte Konsolfriese aufweist, aber diese stärker heraushebt und betont. Das geschieht dadurch, dass die Konsolfriese vorgelegt sind, wodurch sich für die traufhohen Lisenen die Notwendigkeit der Verkröpfung ergibt. Das führt zu einer besonderen Betonung der Gliederungselemente am Quergiebel, wo die über Eck geführte Lisene gleichsam zu einem Eckpilaster ausgestaltet wird. In dieser Ausformung besitzt das Gebäude durchaus Ähnlichkeiten mit Sakralbauten der Periode, mit denen es einen imaginären architektonischen Dialog aufnimmt.

Dieses Gebäude besitzt, neben seinem Charakter als Teil des Denkmals der Gesamtanlage einen eigenen Wert als Baudenkmal. Dieser ist darin begründet, dass der Bau für seinen Typ in ungewöhnlicher Weise mit einer Schauseite als Längsseite zur Straßensituation Bezug nimmt. Außerdem ist für ein bescheidenes Nutzgebäude die Architektur bedeutsam aufwendig. Die Architektur trägt also in ungewöhnlicher Weise einen auch künstlerischen Anspruch vor.

Der Gutshof ist also bei näherem Hinsehen trotz einer Reihe von Änderungen und Einbauten noch als solcher erkennbar. Die späteren Einbauten in den Hof sowie der dreigeschossige Neubau östlich des Wohn- und Verwaltungsgebäudes sind nicht Teil des die Historie dokumentierenden Bestandes.

Trotz zahlreicher Veränderungen im baulichen Detail steht der Gutshof auch heute für einen im 19.Jahrhundert typischen Prozeß: die Aneignung adeliger Lebensformen und zu Geld gekommenen Bürger. Kaufleute und Fabrikanten erwarben durch Kauf oder -wie im vorliegenden Fall - durch Heirat Adelssitze, nahmen entsprechend ihren Vorstellungen die Lebensweise des Landadels an und wandten sich der Landwirtschaft zu. Neben dem höheren gesellschaftlichem Ansehen, dass der Landbesitz mit sich brachte, war damit in vielen Fällen der Aufstieg in die höchste Wählerklasse verbunden. Zugleich konnte man sich Hoffnung auf eine spätere Nobilitierung machen. Im Falle von F.W.E. Rosbach erfüllte sich diese freilich nicht.

Haus Clee ist wichtiger Bestandteil der Geschichte von Waldniel. Von hier aus wurde verschiedentlich die reformierte Gemeinde des Ortes unterstützt. Haus Clee nimmt mit den dazugehörigenden Anlagen den Bereich südlich von Waldniel weitgehend und auch heute noch dominierend in Anspruch. Eine Änderung ist hier erst durch die Wohnbebauung jüngster Zeit eingeleitet worden. Der Gutshof bildet aber nach wie vor eine auffallende Baugruppe an der Ungerather Straße. Des weiteren ist die Gesamtanlage von großer Bedeutung für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsbedingungen. Die Erfindung des Kunstdüngers und die Entwicklung von Maschinen veränderten seit der Mitte des 19. Jahrhunderts die traditionellen Produktionsmethoden der Landwirtschaft. Bürgerliche Kaufleute und Fabrikanten gehörten zu den ersten, die die ihnen vertrauten Arbeitsweisen des Industriezeitalters auf die Agrarproduktion übertrugen. Gutshöfe wie der von Haus Clee bildeten die Prototypen moderner Agrarfabriken, die sich bis an die Zeit nach dem 2. Weltkrieg als lebensfähig erwiesen. Noch zu Beginn der 1930er Jahre galt die in Haus Clee betriebene Landwirtschaft als mustergültig. Zu den Kennzeichen dieser modernen Form der Landwirtschaft gehörte, dass sie nicht mehr wie in älterer Zeit von einem Pächter betrieben wurde, der seinem adligen Herrn zu bestimmten Zeiten den Pachtzins erlegen musste, sondern von einem Verwalter, der seinem Arbeitgeber jederzeit verantwortlich war. Das Verwaltungsgebäude auf dem Gutshof zeigte, wer hier das Sagen hatte; das abseits gelegene Herrenhaus machte zugleich deutlich, dass über dem Verwalter der Eigentümer des Betriebes stand. Frühe "Agrarfabriken" dieser Art sind selten geworden.

Als Bestandteil von Haus Clee macht der Gutshof die wirtschaftliche Basis eines solchen Landsitzes deutlich. Er steht zugleich für die intensive Hinwendung der bürgerlichen Besitzer zur Landwirtschaft, der zunächst der Wunsch nach Steigerung des gesellschaftlichen Ansehens zugrunde liegt. Allerdings entspricht diese Wirtschaftsweise nicht mehr der traditionellen Form, die der Landadel praktiziert hatte, sondern ist ganz von den ökonomischen Vorstellungen des durch Handel und Industrie zu Besitz gekommenen Bürgertums geprägt. Der Bürger betreibt also als Gutsherr Landwirtschaft, weil damit gesellschaftliches Ansehen verbunden ist, aber die Landwirtschaft muss - wie die Fabrik - Profit bringen. Die Architektur des Gutshofes mit ihren sparsamen Backsteingliederungen folgt nicht den traditionellen Formen des Bauernhofes, sondern ist am Vorbild der Industriearchitektur orientiert. Dies ist besonders deutlich an der großen Halle außerhalb des geschlossenen Hofes. Auch das Wohn- und Verwaltungsgebäude setzt sich deutlich und bewußt von der überkommenen Form ländlichen Bauens ab. Leider ist die Mehrzahl der Fenster- und Türöffnungen der Hofanlage erheblich und bis hin zur Beeinträchtigung verändert. Ein- und Umbauten vermindern darüber hinaus die Anschaulichkeit zusätzlich.