Denkmale in der Stadt Kempen

Lfd.-Nr. 264

 

Standort:

Am Gymnasium 24 - 28, D 47884, Kempen 

GPS:

5121' 56,7" N   06o 24' 47,8" O

Zuständigkeit:

Stadt Kempen

Baujahr:

1927 - 1929

Tag der Eintragung als Denkmal

26. November 2003

Quellenhinweis:

Beschreibung der Denkmalbehörde

 

 

 

 

Martinschule in Kempen

        

Denkmalbeschreibung:

Bauherr Stadt Kempen

Architekt: Max Kiefer (Kempen)

 

Baujahr 1927-29

11.02.1927 Neubaubeschluss der Schuldeputation

09.06.1927 Erläuterungsbericht zu Vorentwurf A u. B

25.06.1927 Vorentwurf Plan C

23.03.1928 Verabschiedung der Pläne durch Stadtverordnetenversammlung

17.06.1928 Baubeginn

24.07.1928 Feierliche Grundsteinlegung

26.09.1928 Rohbau – Fertigstellung

06.09.1929 Einweihungsfeier

Das Gebäude Am Gymnasium 24-28 in Kempen wurde 1927-29 als vierzehnklassige Volksschule nach einem Entwurf des Kempener Architekten Max Kiefer errichtet. Es wird bis heute als Schule, heute Hauptschule („Martinschule“) genutzt.

Die traditionsreiche Schulgeschichte Kempens ist anhand schriftlicher Zeugnisse mindestens bis ins 14. der Kernstadt Kempens bereits zwei Elementarschulen, je eine für Jungen und Mädchen. Die Jungenschule befand sich zunächst in der Burse und seit 1822 in einem Gebäude an der Judenstraße. Wachsende Schülerzahlen machten 1850 die Errichtung eines vierklassigen Neubaus an der Rabenstraße nötig, der in den 1870er Jahren auf sechs Klassen vergrößert wurde. Bis zur Errichtung einer selbständigen fünfklassigen Seminar-Übungsschule in den 1880er Jahren stand die Knabenschule als Übungsschule unter der Leitung des Kempener Lehrerseminars. Schon vor dem Ersten Weltkrieg entstanden erhebliche räumliche Engpässe, was u.a. zu einer „Wanderklasse“ in wechselnden Klassenzimmern führte. Vollends kritisch wurde die Lage mit der Aufhebung des Lehrerseminars 1925, als die dortige Übungsschule ebenfalls in die Volksschule integriert werden musste. Zwischenzeitlich konnten zwar Ausweichräume in der Burg genutzt werden, ein ausreichend großer und auch schulhygienisch modernen Ansprüchen genügender Neubau wurde jedoch unumgänglich.

Dessen Finanzierung, unmittelbar nach Weltkrieg, Besatzung- und Inflationszeit bedeutet eine große Kraftanstrengung für die Stadt, zumal erhoffte Fördermittel aus dem Schulbau-Grenzfonds von der Regierung nicht bewilligt wurden. Aus diesem Grunde wurde eine eigentlich vorgesehene Turnhalle nicht ausgeführt und auch am Schulgebäude wurden Einsparungen vorgenommen. Im September 1929 konnte der Neubau für acht Klassen der bisherigen katholischen Knabenschule, vier Klassen der gemischten Grundschule mit Jungen und Mädchen sowie zwei Hilfsschulklassen eröffnet werden.

Das Grundstück der heutigen Martinschule befindet sich direkt neben jenem des 1910 eröffneten ehemaligen Lehrerseminars, welches seit 1925 das Gymnasium Thomaeum beherbergt. Die von der Ringstraße abzweigende Straße Am Seminar, heute Am Gymnasium wurde gleichzeitig ausgebaut.

Der breit gelagerte, zweigeschossige Backsteingebäude mit Walmdach ist mit einer kleinen Grundfläche etwas von der Straße abgesetzt. Ursprünglich schloss ein kleines Mäuerchen mit Eingangstörchen das Grundstück ab, heut eine durchgehende Hecke. An der Straßenfront flankieren in beiden Geschossen jeweils sechs dreiteilig, klein gesprosste und weiß abgesetzte Fenster einen dreiseitig aus der Flucht vortretenden Mittelbau, der dreigeschossig turmartig bis in die  Dachzone reicht und hier zusammen mit den beidseits anschließenden Zwerchhäusern ein ausgebautes Dachgeschoss markiert und belichtet. Sein Mauerwerk ist durch dünne Bänderung „rustiziert“ und von den glatten Ziegelflächen des Baukörpers abgesetzt. Der in seinem Erdgeschoss ehemals vorhandene Haupteingang mit markanten, schräg eingeschnittenen Gewänden ist heute zugesetzt und auf die Rückseite verlegt. Auch an den Gebäudeecken sowie zwischen den Erdgeschossfenstern findet sich diese als stilmittel zeittypische Backsteinbänderung. Das breite Zwerchhaus hatte nach dem ursprünglichen Entwürfen eine etwas aufwändigere, mehrfach gestufte Verdachung erhalten sollen, die jedoch aus Kostengründen reduziert wurde. Spitz überstehende Gesimskanten und eine zweite, etwas zurückgesetzte Gesimslinie setzen hier dennoch markante Konturen. Die vierteiligen Fenster des Zwerchhauses sind eng gestellt und so bandartig zusammengezogen.

Die Stirnseiten des Baukörpers besitzen nur jeweils eine mittlere Fensterachse in einem Backsteinrahmen und signalisieren so die Mittelflur-Konzeption des Inneren. Auch hier belichten kleine Zwerchhausbänder das Dachgeschoss. Die Hofseite ist in Wandgestaltung und Proportion der Straßenfront angeglichen. Auch hier betont ein dreigeschossiger Risalit die Mitte; er ist jedoch nicht polygonal gebrochen, so aber ein überaus wirkungsvolles aufgesetzt wirken, andererseits in der steht flach vor der Flucht. Im Erdgeschoß nimmt es seitlich je eine Eingangstür auf und darüber drei hochrechteckige, zweigeschossige Fensterrahmen, die im Inneren das Treppenhaus belichten. Auch hier wird der Backstein mittels Bänderung und Stufungen ale ein flächengliederndes Gestaltungselement eingesetzt. Eine markant vorspringende, gerade Traufkante schließt den Risalit ab. Auch dieser Abschluss war ursprünglich etwas aufwändiger vorgesehen. Erhebliche Reduzierung gegenüber den Entwurfsplänen bildet aber die Streichung dreigeschossiger, dreieckig spitz aus der Fassade vortretender Flurabschlüsse an beiden Stirnseiten, die in der Planzeichnung einerseits zwar etwa aufgesetzt wirken, andererseits aber ein überaus wirkungsvolles, „expressionistisches“ Element hinzugefügt hätten.

Im Inneren musste der Architekt ebenfalls aus Kostengründen einen Mittelflur gegenüber der eigentlich empfohlenen einhüftigen Klassenordnung den Vorzug gegeben. Diese charakteristische Aufteilung ist ebenso erhalten wie das großzügige originale Treppenhaus mit zweiarmiger dreiläufiger Treppe und schlichtem Metallgeländer. Die im Dachgeschoss platzierte Aula wurde, da die ursprüngliche Turnhalle ja entfallen musste, früher auch als Turnhalle genutzt. Einzige nennenswerte bauliche Veränderung ist die nachträgliche Schließung des straßenseitigen Haupteingangs (dort heute das Direktorenzimmer).

Auch wenn Architekt Kiefer auf einige extravagante Details verzichten musste, repräsentiert die Schule immer noch den typisch “backsteinexpressionistischen“  Stil der zweiten Hälfte der 1920er Jahre. Den Zeitgenossen galt sie als ein „prächtiges Schulgebäude“ mit hellen und lichten Räumen, ein „Lichtblick, wo man die Pflege des Geistes, die Verantwortlichkeit einer der materialistischen Zeiterscheinung noch nicht zum Opfer gefallenen Jugend gegenüber betreibt“ Niederrheinische Tageblatt v. 7.9.1929). Mit ihrer niveauvollen Architektur entsprach sie dem Rang und Selbstverständnis Kempens als Schulzentrum, wie er 1910 bereits im repräsentativen Lehrerseminarbau auf dem Nachbargrundstück zum Ausdruck gekommen war. Baulich ist sie bis heute gut erhalten und damit ein anschauliches Zeugnis sowohl für die Schulgeschichte und öffentliche Daseinsvorsorge der Stadt Kempen als auch für die architekturgeschichtliche Entwicklung des Schulwesens in den zwanziger Jahren.

Max Kiefer wurde am 15. September 1889 in Kempen geboren. Er studierte Architektur an den renomierten Hochschulen in München und Aachen, arbeitete währenddessen für die Reichsbahn und wurde nach Abschluss seines Studiums 1914 in Aachen, wohl bei Stadtbauamt angestellt. In den zwanziger Jahren arbeitete er als Privatarchitekt. 1936 trat er als Architekt in das Reichsluftfahrtministerium ein, ein Jahr zuvor war es der SS beigetreten, später gehörte er der Waffen-SS an und leitete die Abteilung CII in der Wirtschaftsverwaltung, Verwaltungshauptamt, die v.a. mit der Konstruktion von Konzentrationslagern und deren „spezielle Einrichtungen“ befasst war, worunter neben Krankenlagern wahrscheinlich auch Gaskammern fielen. – Wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde Kiefer 1947 vom amerikanischen Militärgerichtshof in Nürnberg zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Haftstrafe wurde später auf 20 Jahre reduziert.

Als gestalterisch qualitätsvolle, bis heute genutzte und gut erhaltene Volksschule ist die Martinschule, Am Gymnasium 24-28 bedeutend für Kempen. Aus den dargelegten Gründen besteht an ihrer Erhaltung und Nutzung aus wissenschaftlichen, hier orts- und architekturgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse. Hinzu kommen zeitgeschichtliche Gründe, da es sich um das Werk einer Person der Zeitgeschichte handelt, des im „Dritten Reich“ am Bau von Konzentrationslagern beteiligten Architekten Max Kiefer. Es handelt sich daher gemäß § 2 (1) Denkmalschutzgesetz um ein Baudenkmal.